Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)
und moralisches, intellektuelles und physisches Licht in die Schlupfwinkel dieser Urwälder tragen, sicher ist, dass sie die in schönem Gleichgewicht stehenden Beziehungen der organischen Schöpfung zur unorganischen stören werden, sodass diese Lebensformen, deren wunderbaren Bau und deren Schönheit der Mensch allein imstande ist zu schätzen und sich ihrer zu erfreuen, verschwinden und schließlich aussterben. Diese Betrachtung muss uns doch lehren, dass alle lebenden Wesen nicht für den Menschen geschaffen wurden.« Was für ein einsichtsvolles Fazit, welcher Weitblick und welche Ahnung des zerstörerischen Tuns des Menschen!
Diese Passage aus Wallace’ Bericht über die erlesenen und so verletzlichen Vögel gehört in geradezu ikonographischer Weise zu den frühesten Vorboten eines Umweltbewusstseins. Vom zierlichen Vogel streifen seine Überlegungen zum fragilen Ökosystem tropischer Regenwälder; und er formuliert, was wir am Beginn des 21. Jahrhunderts nicht anders ausdrücken würden. Dabei steht die Passage auf kuriose Weise im Widerspruch zu jenem Grund, der Wallace auf die Aru-Inseln führte: um Paradiesvögel für Sammler und Museen in Europa zu erbeuten. »Freuen Sie sich mit mir, denn ich habe bekommen, was ich bei meinem Besuch auf Aru suchte. Ich habe die Paradiesvögel!«, meldet er triumphierend seinem Agenten Samuel Stevens. »Ich glaube, ich bin der einzige Engländer, der jemals selbst Paradiesvögel geschossen und abgebalgt, überdies auch gegessen hat«, so Wallace weiter; »der erste lebende Europäer, der das auf eigenes Risiko und eigene Kosten unternommen hat.« Die exotischen Paradiesvögel sind auch für ihn der große Preis.
Tatsächlich bringen ihm seine gut erhaltenen Exemplare nicht eben wenig ein. Aber auch sie erstmals lebend zu beobachten, ist ihm wichtig: »Ich habe ihre Balztänze gesehen, bei denen sie ihr Gefieder zur Schau stellen; und ich glaube, das ist durchaus eine neue Beobachtung. Sie sind dabei so wunderschön und großartig. Wenn sie erst richtig in ihrer dabei eingenommenen Pose präpariert sind, werden sie der Stolz jeder Sammlung sein – und jeder Naturalienpräparator wird sie haben wollen.« Wallace schätzt den Markt richtig ein – und befeuert ihn noch, als er kurz nach seiner Rückkehr im Mai 1862 für die Verhandlungen der Zoological Society in London einen ausführlichen Bericht verfasst über seine Suche und Beobachtung der Paradiesvögel am Rand des indo-australischen Archipels. In seinem Reisebericht wird er einige Jahre später den Paradiesvögeln sogar ein eigenes Kapitel widmen. Ausführlich berichtet er dort auch von der Balz des Großen Paradiesvogels, die er auf den Aru-Inseln aus unmittelbarer Nähe erlebt. Diese Balz ist ein echtes Spektakel. Denn um ihrer Fortpflanzung willen müssen sich die Männchen von Paradisaea apoda ordentlich ins Zeug legen. »Ihre Stimme ist sehr außergewöhnlich«, notiert Wallace. »Früh morgens, ehe die Sonne aufgeht, hören wir einen lauten Ruf wie: ›Wawk – wawk – wawk, wok – wok – wok‹, welcher durch den Wald widerhallt und jeden Augenblick von einer anderen Seite ertönt.« Er beobachtet, wie sich stets mehrere Männchen auf einem bestimmten hohen Waldbaum einfinden und mit immer lauter und schneller werdenden Rufen ihre Anwesenheit verkünden. Ihr prächtiges Gefieder ist keineswegs nur eine spielerische Laune der Natur; vielmehr setzen die Paradiesvögel ihren bunten und bizarren Federschmuck – ähnlich wie der Rad schlagende Pfau – gezielt ein, um bei solchen »Tanzgesellschaften« – oder »sacaleli«, wie die Einheimischen es hier nennen – ein Weibchen zu bezirzen, das sich bald am Balzplatz der etwa ein Dutzend bis zwanzig Männchen einfindet. Was diese erst recht antreibt, unter ständigem Rufen wild im Geäst hin und her zu springen und flügelschlagend und -zitternd ihr prachtvolles, orangerotes Gefieder in Szene zu setzen, »sodass der ganze Baum mit wallendem Gefieder in großer Mannigfaltigkeit der Stellung und Bewegung gefüllt ist«; bis sich das Weibchen dann für eines von ihnen entscheidet. »Wenn man den Paradiesvogel in dieser Stellung sieht, so verdient er wirklich seinen Namen und muss zu den schönsten und wundervollsten Lebensformen gerechnet werden.« Viele Jahre später, als Darwin seine Theorie von der allgegenwärtigen Damenwahl im Tierreich und sexuellen Selektion vorschlägt, die er der natürlichen Auslese zur Seite stellt, wird sich Wallace an diese Szene
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