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Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition)

Titel: Am Ende des Archipels - Alfred Russel Wallace (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Glaubrecht
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vermutet, dass Wallace möglicherweise durch das Studium von Salomon Müllers Abhandlung »Über den Charakter der Thierwelt auf den Inseln des Indischen Archipels« angeregt worden sein könnte. Doch haben Historiker dafür bisher keinen Hinweis finden können. Es bleibt mithin Wallace’ Linie.
    Malaien und Papuas – Wallace’ andere Linie: Bis heute debattieren Forscher die faunistischen Phänomene beidseits der Wallace-Linie. Entscheidend trägt dazu bei, dass allein bei Wallace (und eben nicht bei Salomon Müller) die Beobachtung jener Faunenscheide eine Erklärung bekommt, und zwar eine, die die allmähliche Entwicklung von Arten allgemein mit in Rechnung stellt. Bereits seit Wallace 1848 mit Bates an den Amazonas aufgebrochen ist, beschäftigt ihn die Frage nach dem besonderen Verhältnis einzelner Arten zum jeweiligen Ort, an dem sie vorkommen. Diese geographische Komponente ist gewissermaßen sein Forschungsprogramm geworden, mit dem er seit der Amazonas-Reise die Artenfrage untersuchen will. Doch erst hier im Archipel, bei seinen Reisen zu den vielen verstreuten Inseln, entdeckt er den musterhaften Zusammenhang zwischen jeweils ähnlichen – und mithin verwandten – Arten an benachbarten Orten. Diese besondere räumliche Verbindung von Tier und Territorium hat ihn in Sarawak bereits zu seinem Naturgesetz des Wandels geführt. Das mosaikartige Muster im Vorkommen einzelner Arten liefert Wallace nicht nur die Idee einer natürlichen Entstehung der Lebewesen; er entwickelt daraus während des kommenden Jahrzehnts ein weltumspannendes Konzept der regionalen Gliederung allen Lebens. So wie das örtliche Vorkommen eines Organismus stets auch mit dessen Entwicklung verbunden ist, so untrennbar werden dank Wallace auch Biogeographie und Evolutionsforschung miteinander verknüpft. Und so steht sein Name nicht nur bei jener Linie quer durch den Archipel Pate, sondern für eine ganze Wissenschaftsdisziplin.
    Von der frühen und erstmaligen Verknüpfung zeugt eine Passage in einem viel zitierten Brief, den Wallace seinem Freund Henry Walter Bates von der Gewürzinsel Ambon am 4. Januar 1858 schreibt (dieses Datum wird bald noch wichtig werden). Darin berichtet er ihm, beinahe wortwörtlich wie in späteren Berichten, von seiner Entdeckung jener markanten Faunenscheide, die malayische und australische Tiere voneinander trennt. Das Wichtigste an der Passage ist nun, dass sie eindeutig im Kontext mit Wallace’ Überlegungen zur Evolution steht. Wallace schlägt Bates vor, seine im Sarawak-Aufsatz vorgestellte Hypothese zur »succession of species«, der Entwicklung einzelner Arten aus ähnlichen und benachbarten Formen, auf ihre allgemeine Anwendbarkeit hin zu testen. Dafür sollten sie, so schlägt er im Brief vor, die Daten von Bates aus dem Amazonas und seine eigenen zum Vorkommen einzelner Tierarten ganz gezielt nutzen. Denn »diese Verbindung zwischen der Abfolge naher Verwandter und der geographischen Verbreitung einer Gruppe wurde bisher nicht in der Weise gezeigt, wie wir dies tun können«.
    Dass die Zusammenfassung seiner Erkenntnisse, die er in seiner berühmten Abhandlung unter dem Titel »On the Zoological Geography of the Malay Archipelago« im Jahr 1859 veröffentlicht, nur wenige Monate vor Darwins Buch zur »Origin of Species« erscheint, ist durchaus symbolhaft. Tatsächlich wird es zu einer geradezu magischen Verbindung zwischen Wallace’ faunistischer Trennlinie und seinem Gesetz zum Artenwandel, als dann schließlich noch die Idee hinzukommt, was diesen Wandel der Arten oder die Transmutation bewirkt. Denn nur zwei Monate nach seinem Brief an Bates wird Wallace dann jenes andere in die Wissenschaftsgeschichte eingegangene, vom Fieber befeuerte Aufsatzmanuskript schreiben, als ihm auf der Ternate benachbarten Insel Gilolo endlich der erlösende Gedanke zum Rätsel um die Entstehung der Arten kommt.
    Das Vorkommen einzelner Arten, ihrer Varietäten und die Befunde dazu, wie sie entstehen, sind allesamt Teile eines großen Puzzles; es umfasst die reiche Inselwelt des Archipels ebenso wie die räumliche und zeitliche Nähe ihrer Lebewelt. Und es macht vor uns selbst nicht halt. Wohin Wallace sich auch wendet, überall ist er beeindruckt von der Vielfalt der im Archipel lebenden Menschen. Auf Bali, Lombok und Celebes ist Wallace noch immer in der Welt der Asiaten, meist umgeben von Malaien und Chinesen, die eine ihm inzwischen vertraute Sprache sprechen. Als er später auf den Molukken von Ternate

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