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Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Versöhnung gekommen zu sein.
    Hat ein scheußliches Verbrechen sie wieder vereint? fragte die Sun am nächsten Tag, und der Daily Mirror wollte wissen: Mittäterin aus Leidenschaft? - ohne zu ahnen, wie nah er mit seiner Theorie einer Hörigkeit, in der sich Geraldine Roselaugh ( »eine wunderschöne Frau, die immer nur Pech mit den Männern hat« ) gegenüber Phillip Bowen befinden sollte, der Wahrheit um das persönliche Beziehungsdrama der beiden kam. Tatsächlich nahmen die Dinge jedoch eine so rasante Entwicklung, daß all die Schlagzeilen des folgenden Tages bereits überholt waren, als noch die Druckerpressen liefen.
    Während Phillip und Geraldine nach Leeds gebracht wurden, fuhr ein Polizeibeamter mit Jessica hinaus zu dem einsamen Hof, von dem Keith erklärt hatte, daß sich dort Ricarda befinde. Es gelang Jessica, das Hotel ungesehen durch eine Hintertür zu verlassen, wohl aber nur deshalb, weil sich die Wachsamkeit der Pressemeute gerade geballt auf den Haupteingang konzentrierte, aus dem fast zeitgleich Phillip und Geraldine ins Freie traten.
    Jessica traf auf Ricarda, ein Häufchen Elend mit eiskalten Händen, zitternd vor Hunger und Durst und nicht im mindesten ansprechbar. Sie wurde ins Hotel gebracht, wiederum durch den Hintereingang und glücklicherweise erneut ungesehen. Wieder wurde ein Arzt geholt, der nach etwa zwei Stunden zögernd einer Befragung Ricardas durch einen weiblichen Sergeant zustimmte. Jessica bot an, dabeizusein, aber da hob Ricarda zum erstenmal den Kopf und öffnete den Mund.
    »Nein!«

    Ihr Haß auf die ungeliebte Stiefmutter schien um nichts gemildert. Jessica hatte den Eindruck, daß sie der Mensch war, bei dem Ricarda zuallerletzt Trost und Unterstützung suchen würde.
    Und wenn schon, dachte sie zutiefst erschöpft.
    Leon fuhr nach Leeds ins Krankenhaus, um Sophie zu besuchen. Er hatte befriedigt beobachtet, wie Phillip Bowen und seine Freundin »abgeführt wurden«, wie er es nannte. Es gab für ihn nicht den geringsten Zweifel an Bowens Schuld.
    Die Stunden verstrichen in lähmender Langsamkeit. Der Tag war wie mit Blei gefüllt, schien sich nicht vom Fleck zu bewegen. Er kam Jessica alptraumhafter vor als der Tag zuvor, was daran liegen mochte, daß sich langsam der Schock zu lösen begann und sich erstes Begreifen dessen, was geschehen war, herantastete. Zudem machte ihr der Zustand des Eingesperrtseins zu schaffen. Draußen war der Himmel jetzt von wolkenlosem Blau, und wenn sie das Fenster öffnete, strömte eine fast sommerliche Wärme herein. Ihr fehlten das Laufen, die Bewegung, sie wollte im warmen Gras sitzen und den Duft der Apfelblüten riechen. Aber sie hätte das Haus nicht verlassen können, ohne einen Rattenschwanz von Journalisten hinter sich herzuziehen. Sie war schon froh, daß es ihr gelang, am Nachmittag Barney ungesehen für eine Viertelstunde in den rückwärtigen Garten zu lassen, damit er wenigstens die Möglichkeit hatte, sein Bein zu heben.
    Evelin war in ihr Zimmer gegangen und hatte sich schlafen gelegt. Die Beamtin, die mit Ricarda gesprochen hatte, erschien bei Jessica und erklärte, das Gespräch mit dem jungen Mädchen habe kaum etwas gebracht. »Ich habe allerdings nicht den Eindruck, daß sie unter einem Schock steht, so wie gestern Mrs. Burkhard«, sagte sie. »Es kommt mir eher so vor, als wolle sie einfach über nichts reden, was in einem Zusammenhang mit Stanbury House und seinen Bewohnern steht. Als habe sie … ja, irgendwie mit ihrer Familie, mit den Menschen dort, gebrochen. Könnte das sein?« Sie sah noch einmal stirnrunzelnd in ihre Unterlagen. »Sie sind nicht die Mutter, nicht wahr?«

    »Nein. Ihr Vater und ich haben vor etwa einem Jahr geheiratet. Sie lebt bei der geschiedenen Frau meines Mannes, verbringt aber regelmäßig die Ferien mit uns.«
    »Wie ist Ihr Verhältnis zueinander?«
    Jessica zögerte. »Ich mag sie gern«, sagte sie dann, »und ich hatte nie die Hoffnung aufgegeben, daß sie irgendwann begreift, daß ich es gut mit ihr meine. Sie selbst lehnt mich ab. Ich war nicht der Scheidungsgrund ihrer Eltern, aber indem ich ihren Vater geheiratet habe, habe ich wohl ihre bis dahin ständig wache Hoffnung auf einen Neuanfang der beiden zerstört. Das konnte sie mir nicht verzeihen.«
    Die Beamtin nickte. »Der Abend, an dem Mrs. Roth in größerer Runde aus Ricardas Tagebuch vorgelesen hat, ließ dann wohl das Faß überlaufen?«
    »Ja. Aber nicht, was speziell das Verhältnis zu mir anging. Ihr Vater …«, sie

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