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Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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ist, so halte ich das für ganz normal angesichts des Horrors, den sie erlebt hat. Evelin hält es zudem für möglich, daß sie die Tatwaffe irgendwo im Haus gefunden, aufgehoben und auf die Terrasse geworfen hat - wo die Polizei auf sie stieß. Evelin kann sich nicht mehr genau erinnern, aber ist das nicht verständlich?«
    Wilbert hatte sehr aufmerksam zugehört. »Gibt es einen Grund, weshalb Evelin leugnen sollte, jene beiden Toten - Ihren Mann und das kleine Mädchen - gefunden zu haben? Wenn sie dies verdächtig erscheinen läßt, sollte man doch annehmen, daß es - im Falle einer tatsächlichen Schuld - schlauer von ihr gewesen wäre, die beiden ebenfalls zu erwähnen!«
    »Das spricht ja auch in meinen Augen absolut dafür, daß sie es nicht getan hat. Eine Frau, die kaltblütig hingeht und fünf
Menschen, darunter zwei Kinder, tötet, ist sicher auch ausgefuchst genug, nachher die Tatwaffe verschwinden zu lassen oder doch zumindest ihre Fingerabdrücke abzuwischen. Außerdem würde sie sicher nicht abstreiten, zwei der Opfer auch nur gesehen zu haben, wenn sie doch wissen muß, daß sie über und über voll mit deren Blut ist. Das ergibt keinen Sinn.«
    »Für die Polizei offenbar doch.«
    »Die halten sie für völlig durchgeknallt. Die meinen, daß sie in einer Art Trance gehandelt hat und womöglich selbst nicht mehr weiß, daß sie ein paar Menschen umgebracht hat und wer das im einzelnen war.«
    »Hm.«
    »Deshalb ist es mir so wichtig, mit Ihnen zu sprechen«, sagte Jessica. »Sie sind Evelins Therapeut. Von allen können Sie doch sicher am ehesten beurteilen, daß ein solcher Gedanke absolut aus der Luft gegriffen ist!«
    Anstatt ihr zu antworten, stellte er eine Frage, die sie überraschte: »Ihr Mann - also Evelins Mann - ist er unter den Toten?«
    »Ja. Warum?«
    »Ich finde das nicht ganz unerheblich. Wenn man Evelin verdächtigt, ist es durchaus von Bedeutung, ob der Mensch, der ihr am nächsten stand, ebenfalls tot ist.«
    Jessica holte tief Luft. »Evelins Mann … wissen Sie, es gab da noch etwas, das der Polizei wichtig erschien.«
    »Ja?«
    »Kurz bevor die Verbrechen geschahen, war Evelin im Park. Sie traf dort auf einen … Bekannten, der sich eine Weile mit ihr unterhielt. Er berichtet, sie sei in sich versunken gewesen, sehr depressiv. Ihre Verzweiflung war greifbar wie eine hohe Mauer, so hat er es ausgedrückt.«
    Wilbert nickte. »Ja«, sagte er, fast mehr zu sich selbst als zu Jessica, »das war sie. Verzweifelt. Zutiefst verzweifelt.«
    »Und dann muß Tim, ihr Mann, erschienen sein und nach ihr gerufen haben. Und angeblich ist sie vor Angst förmlich erstarrt.
Phillip - der Bekannte - sagte etwas in der Art, sie habe ihn an ein Tier erinnert, das seinen schlimmsten Feind wittert. Und daraufhin stellte sich heraus, daß Tim angeblich seit Jahren schon seine Frau mißhandelte, physisch und psychisch, und daß das offenbar jeder außer mir gewußt hat. Somit hätte Evelin in den Augen der ermittelnden Beamten durchaus ein Motiv gehabt, ihren Mann zu töten. Und danach ist sie ausgetickt und hat ein Blutbad angerichtet.«
    Dr. Wilbert überlegte einen Moment. »Es gibt also durchaus Indizien, die für Evelin als Täterin sprechen«, meinte er, »aber ob sie für eine Verurteilung reichen … da bin ich nicht sicher. Allerdings bin ich natürlich auch kein Jurist. Hat sie einen guten Anwalt? «
    Jessica nickte. »Ich denke schon. Dr. Wilbert, Evelin kam doch jede Woche hierher. Sie müssen wissen, ob das stimmt mit ihrem Mann.«
    »Ich kann Ihnen über nichts, was hier gesprochen wurde, eine Auskunft geben«, sagte Wilbert. »Das müssen Sie verstehen.«
    »Kannten Sie Tim Burkhard? Immerhin war er ein Kollege.«
    »Ich kannte ihn. Nicht besonders gut, aber wir sind uns gelegentlich bei Seminaren begegnet.«
    »Und welchen Eindruck hatten Sie von ihm?«
    »Wenn Sie es genau wissen wollen, ich hielt ihn für einen Schaumschläger. Er war Psychotherapeut, aber am liebsten wäre er eine Art Guru gewesen - und diesen Eindruck vermittelte er nicht nur wegen seines verfilzten Bartes und seiner ewig nackten Füße in diesen schrecklichen Sandalen. Das kam in all seinen Gesten, Blicken, Worten zum Ausdruck. Er hatte es sich angewöhnt, die Menschen auf eine suggestive Weise anzusehen, die auf mich eine abstoßende Wirkung hatte. Ich bin überzeugt, daß er seine Patienten tief verachtete und sich ihnen haushoch überlegen fühlte. Labile Menschen haben ihm gegenüber darauf sicher mit einer

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