Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens

Titel: Am Ende des Schweigens - Link, C: Am Ende des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
Vom Netzwerk:
einen tiefen Zug aus seiner Zigarette nehmen, den Glimmstengel dann aus dem Mund ziehen, auf den Boden werfen und nachdrücklich austreten sollte. Ein letzter Blick zum Haus, umdrehen, gehen.
    Er hatte bloß keine Zigarette. Er hatte buchstäblich überhaupt nichts mehr. Schon gar keinen Regisseur, der ihm hätte sagen können, wie es weitergehen sollte.
    Vielleicht eine innere Stimme. Die ihm sagte, daß es das beste wäre, zur Polizei zu gehen und sich zu stellen. Oder auch nicht das beste, aber auf jeden Fall das einzige. Möglich, daß es keine Alternative gab. Und daß er deshalb hier stand und Abschied nahm, weil er das längst realisiert und sogar akzeptiert hatte.

    Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht bei der Vorstellung, wie er ins Dorf wandern, in den Gemischtwarenladen von Mrs. Collins’ Schwester hineinspazieren und der alten Tratschtante in ihr schreckensstarres Gesicht sagen würde, sie möge bitte die Polizei herbeitelefonieren.
    Nicht gleich. Nachher. Später.
    Er überquerte den Rasen, langsam, ohne Hast. Setzte sich auf eine Bank, die seitlich vom Haus stand.
    Vielleicht konnte er sich noch eine Weile der Illusion hingeben, irgendeine Wahl zu haben.
    8
    Jessica hatte schlecht geschlafen, und gegen halb sieben am Morgen hielt sie es nicht mehr im Bett aus. Sie stand auf, duschte und zog sich an und sah durch das Fenster, daß ein herrlicher Tag heraufdämmerte. Sie überlegte, ob sie Evelin wecken und zu einem gemeinsamen Spaziergang überreden sollte, aber auf einmal erschien es ihr zu anstrengend, sich zu so früher Stunde bereits in die Gesellschaft einer derart verzweifelten Frau zu begeben. Wer wußte, wie lange sie es überhaupt noch mit Evelin hier zusammen in Stanbury aushalten mußte. Der gestrige Abend war schwierig gewesen. Sie hatten zusammen im Gastraum gegessen, und Jessica hatte von Leon erzählt, von seiner neuen Wohnung, seinem neuen Arbeitsplatz. Daß er ihr seine Gefühle gestanden hatte, ließ sie unerwähnt. Aber ohnehin hatte sie nicht den Eindruck gehabt, daß Evelin mit mehr als minimalem Interesse zuhörte. Ein- oder zweimal hatte sie versucht, die Freundin auf die Zeit im Untersuchungsgefängnis anzusprechen, aber sie war sofort ausgewichen und hatte keine Antwort gegeben. Das sogenannte Gespräch war im Grunde nur auf einen zähen Smalltalk hinausgelaufen. Irgendwann waren sie beim Wetter und beim
englischen Essen angelangt und hatten darüber hinaus nur ein bißchen über die plumpe Prudence gelästert, die hinter der Theke gestanden und ganz offensichtlich sehr heftig die Ohren gespitzt hatte.
    Als sie über den Gang lief, kam sie an Evelins Zimmertür vorbei und lauschte kurz nach drinnen, konnte aber keinen Laut vernehmen. Erleichtert begab sie sich die Treppe hinunter in den Gastraum.
    Sie war der erste Mensch dort, aber nach allem, was sie mitbekommen hatte, befand sich außer ihr und Evelin sowieso nur noch ein einziger Gast im Haus, ein älterer Herr, der immer in Wanderstiefeln und einem scheußlichen rotweiß karierten Hemd herumlief. Aber auch der schlief um diese Zeit wohl noch.
    Nach einer Weile kam Prudence müde herangeschlurft und brachte heißen Kaffee, der Jessicas Lebensgeister sofort weckte.
    »Was woll’n Sie denn frühstücken?« fragte sie und gähnte.
    Jessica bestellte Toastbrot und Rührei, und Prudence schlich in die Küche zurück. Jessica trank ihren Kaffee in kleinen Schlucken, wärmte sich die Finger an der dickbauchigen Keramiktasse und überlegte, wie sie den Tag verbringen wollte. Auf jeden Fall würde sie eine schöne, lange Wanderung unternehmen. Die Frage war, ob sie es fertigbringen würde, Stanbury House aufzusuchen. Sie empfand es als eigenartig, sich in dieser ihr so vertrauten Gegend aufzuhalten und nicht ein einziges Mal zu dem alten Haus zu gehen, das trotz des Schreckens, der sich über seine Mauern gelegt hatte, ein Stück Heimat für sie gewesen war.
    Ich werde das ganz spontan entscheiden, nahm sie sich vor.
    Sie aß den Toast mit ziemlich wabbeligem, ungesalzenem Rührei und versuchte einmal, trotz der frühen Stunde, Leon mit ihrem Handy zu erreichen. Wieder meldete sich niemand. Sie mußte das Gefühl der Beunruhigung, das sie beschlich, mit einiger Energie beiseite drängen.
    Sie war bei ihrer zweiten Tasse Kaffee angelangt, als sich die Tür öffnete und Gloria Mallory auf der Schwelle erschien. Sie
sah sich suchend um, erblickte Jessica und kam mit einem erleichterten Gesichtsausdruck auf sie zu.
    »An der

Weitere Kostenlose Bücher