Am Ende eines Sommers - Roman
sagt, gekämpft wurde hier eigentlich nicht; sie hätten nur hier draußen kampiert für den Fall, dass die Deutschen etwas versuchen sollten. Alle Zimmer sind hoch und geräumig, und jedes von ihnen ist ein kompletter Saustall. Überall ist Plunder, in Kisten gestopft und hinter Sofas und Türen geschoben. In einem Zimmer, dem Arbeitszimmer, stehen sieben Kartons an der Wand, und jeder ist randvoll mit Zeitungen aus den letzten Jahren. Tante Rachel sagt, Onkel Robert war wie ein Hamster, und sie bringt es noch nicht über sich, sein Zeug wegzuwerfen. Es ist erst sechs Monate her, dass er gestorben ist, und es kommt ihr noch nicht richtig vor, darin herumzuwühlen.
Die Küche ist gigantisch, und darin steht ein großer, altmodischer Herd mit einem richtigen Feuer, der den ganzen Tag mollige Wärme verbreitet. Zöpfe aus Zwiebeln und Knoblauch baumeln von den Deckenbalken, und alle Töpfe und Pfannen hängen an Haken wie in einer Ausstellung. Das Verrückte ist, man kann wirklich alles sehen; es gibt kaum Schränke, um etwas zu verstecken. Tante Rachel sagt, es ist eine Arbeitsküche, und alles muss da sein, wo sie es sehen und benutzen kann. Es sieht nach Chaos und Krach aus, und ich finde es wunderbar. Ich kriege Lust zu kochen. Tante Rachel bemuttert uns nicht; sie sagt, wir sollen losziehen und uns umschauen, während sie und Mum etwas zum Abendbrot zaubern. Als ich im Flur verschwinde, höre ich einen Flaschenkorken knallen.
Andy ist sofort mit Katy verschwunden, und George ist noch nicht aus dem Hühnerstall zurückgekommen. So kann ich ungestört im Haus herumspazieren, so viel ich will. Ellie kommt mit; sie schnuppert neben mir herum oder sieht mich an und will gestreichelt werden. Rachel hat gesagt, Ellie ist ein Altenglischer Schäferhund, ein Bobtail, wie der Hund aus der Reklame für Dulux-Farbe richtig heißt. Ein bisschen dämlich sieht sie ja aus, weil Tante Rachel ihr den Pony mit einer rosa Haarklammer von Katy festgesteckt hat. Aber das Beste ist, sie hat ein braunes Auge und eins, das leuchtend weiß-blau ist wie die von David Bowie. Damit sieht sie ein bisschen alienmäßig aus und richtig cool. Das braune Auge hat die gleiche Farbe wie Dads Augen. Genau die gleiche. Ich bin froh, dass sie bei mir geblieben ist; dann fühle ich mich nicht so sehr wie ein Schnüffler, wenn ich mir alle Zimmer ansehe. Ich meine, in ihrem eigenen Haus herumzulaufen, ist schließlich ihr gutes Recht.
Mein und Andys Zimmer liegt ganz oben unter dem Dach und hat eine Verbindungstür zu Mums Zimmer. Die beiden Betten haben bauschige, weiche Federdecken und Kopfkissen. Ich habe gemerkt, dass sie Mum gefielen, als sie sich auf ein Bett setzte und darüberstrich und die Federn sanft mit den Fingern zusammendrückte.
»Wir kaufen demnächst auch Federbetten für euch, Jakey«, sagte sie. »Die sind viel besser als Laken und Wolldecken.«
Da hatte ich ein schlechtes Gewissen wegen der Fähre.
Ich beschließe, jetzt auszupacken und meine Sachen irgendwie zu ordnen, damit ich nachher weiß, wo alles ist, wenn ich es brauche. Zwischen den beiden Betten steht eine Kommode, und ich nehme die beiden oberen Schubladen und lasse die zwei unteren für Andy. Meine Unterhosen und Strümpfe lege ich in die obere, die flach ist, und Hosen und Hemden kommen in die zweite, tiefere. Die Geschenke für Mum und Andy habe ich schon zu Hause eingepackt, damit sie nicht wissen, was es ist, falls sie sie finden sollten. Jetzt nehme ich sie aus der Tasche und schiebe sie sorgfältig hinter meine Unterwäsche. Ich frage mich, ob ich auch etwas für Tante Rachel und die andern besorgen muss. Viel Geld habe ich nicht dabei; das meiste ist zu Hause in der Spardose für meinen Fahrraddynamo. Wahrscheinlich hat Mum etwas für sie gekauft. Ich falte meinen Schlafanzug neu zusammen und schiebe ihn unter mein Kopfkissen, und dann lege ich mich hin, um auszuprobieren, wie es sich anfühlt. Unsere Betten stehen direkt unter einem schrägen Dachfenster; wir können die Sterne sehen, bevor wir einschlafen. Man fühlt sich wohl in diesem kleinen Zimmer, und ich schließe die Augen und stelle mir vor, ich wäre allein hier, ganz allein mit Miss Terry. Sie würde auf der Bettkante sitzen und mir mit ihren langen weißen Fingern die Haare aus der Stirn streichen. Sie nennt mich nicht Jakey, denn das wäre zu kindisch. Soll ich dir etwas vorlesen, Jake? Rutsch zur Seite, Jake, und mach mir Platz, würde sie sagen, und wir kriechen beide unter die Decke, ganz
Weitere Kostenlose Bücher