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Am Ende eines Sommers - Roman

Am Ende eines Sommers - Roman

Titel: Am Ende eines Sommers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Ashdown
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Brust an Stu und küsst ihn aufs Ohr.
    Mum sieht angewidert aus. »Komm, Jake, wir suchen deinen Bruder.« Sie wendet sich zur Tür.
    »Matt?«, ruft Dad ihr nach. »Matt ist wieder weg, Mary. Er ist gleich wieder abgehauen, Schatz.« Er sieht müde und traurig aus. »Ich hab ihn nicht mal gesehen, Schatz. Er ist einfach wieder verschwunden.«
    Mums Augen werden feucht, und sie geht hinaus, bevor die Tränen fließen. Ich schaue zu Dad hinüber, aber er lässt den Kopf hängen und fährt mit der Fingerspitze über den nassen Tisch. Gypsy und Stu flirten und kabbeln sich, sie kichern und lachen und merken nichts von Dads Kummer, während er dasitzt und Muster in das vergossene Bier malt.
    Zu Hause liegt Gypsys Schlüssel auf der Fußmatte unter dem Briefschlitz. Mum läuft die Treppe hinauf, und ich gehe in die Küche, um zu sehen, was Sache ist. Matt hat alle möglichen Spuren hinterlassen, aber sie sind kalt wie die Pfotenabdrücke eines Fuchses im Schnee. Am Rand der Arbeitsplatte steht eine schmutzige Cornflakesschale, daneben ein Kaffeebecher. Die Reste darin sind pulvertrocken, und man sieht, dass er schon seit Tagen da steht. Ein benutztes Handtuch hängt über dem Badewannenrand, im Waschbecken sind angetrocknete Kotzespritzer, und der Zahnputzbecher liegt kaputt auf dem Linoleumboden. Er hat die meisten sauberen Sachen mitgenommen, die noch in seinem Schrank hingen, und in seinem Zimmer liegt ein Müllsack voll mit schmutziger Wäsche. Nirgends ist ein Zettel. Kein Hinweis darauf, dass er vorhat zurückzukommen.
    Ich mache meine Zimmertür zu und fange an auszupacken, Griffin folgt mir durchs Zimmer. Als ich meine geheime Literatur-Spardose aus dem Regal nehme, um die zwei Pfund von Tante Rachel hineinzutun, ist sie leer. Zweiundfünfzig Pfund und fünfundsechzig Pence. Alles weg.

 
    Mary,
    Mai 1977
    Seit anderthalb Stunden versuche ich zu erraten, wohin wir fahren. Billy hat mich heute Morgen mit einer Tasse Tee geweckt und gesagt, wir machen ein Picknick, sobald er die Kinder bei seiner Mutter abgeliefert hat.
    »Du hast eine Freude verdient«, hat er gesagt und den Vorhang aufgerissen. »Deshalb hab ich mir den Tag freigenommen. Freust du dich?« Ich habe im strahlenden Licht des Maimorgens den Kopf gesenkt, und der Wein von gestern Abend pulsierte hinter meinen Augäpfeln.
    Als wir jetzt auf den Parkplatz am Devil’s Dyke einbiegen, legt Billy mir eine Hand auf das Knie. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Schatz.« Er küsst mich liebevoll und steigt aus.
    Er öffnet den Kofferraum und holt die Picknicksachen heraus. Ich wühle im Handschuhfach nach meiner Sonnenbrille und steige aus, um ihm mit der Decke und den Flaschen zu helfen, die nicht in den Korb gepasst haben.
    »Als ich klein war, hatten wir genau so einen Korb«, sage ich, als Billy ihn den Weg auf die Anhöhe hinaufschleppt. Er hat ihn extra für heute gekauft.
    »Als ich klein war, haben wir eigentlich nie Picknick gemacht«, sagt er.
    »Das wusste ich nicht, Billy. Das ist ziemlich traurig«, sage ich.
    »Na, du kennst ja Mum. Sie war nie ein großer Fan der freien Natur.«
    Schweigend gehen wir weiter. Das Panorama tut sich vor uns auf, und ein ruhiger, warmer Wind weht den Staub um unsere Kleider.
    »Das perfekte Picknickwetter, Billy.« Die saubere Luft strömt in meine Lunge, belebend und frisch.
    Billy breitet die Decke aus und beschwert die Ecken mit dem Korb und den Flaschen. Wir legen uns nebeneinander und betrachten die Vögel und die Wolken über uns.
    »Siehst du den Kondensstreifen?« Billy zeigt auf einen dunstig weißen Wolkenfaden, den ein fernes Flugzeug hinterlassen hat. »Erinnert mich ans Rauchen. Zigaretten. Mmmmm.« Er dreht sich zur Seite und grinst mich an.
    Ich schnalze missbilligend; die Erinnerung ärgert mich. Wir haben beide an Neujahr aufgehört, nachdem Matthew uns über Weihnachten damit in den Ohren gelegen hat. Manchmal ist das Verlangen beinahe unerträglich.
    »Jetzt könnte ich einen Mord begehen für eine Zigarette.« Ich zwirble eine Franse der Decke zwischen den Fingern. »Eine einzige wäre schon genug.«
    Billy greift in den Korb und holt eine unangebrochene Packung Benson & Hedges heraus.
    »Billy!« Wider Willen muss ich lachen und stütze mich auf den Ellenbogen.
    Er reißt die großen braunen Augen weit auf. »Eine einzige könnten wir doch rauchen, oder? Du hast immerhin Geburtstag.« Er beugt sich herüber und küsst mich, und dabei zieht er ein dämliches Quengelgesicht.
    Resigniert

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