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Am Ende eines Sommers - Roman

Am Ende eines Sommers - Roman

Titel: Am Ende eines Sommers - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Ashdown
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lasse ich mich auf die Wolldecke fallen. Ich will nicht antworten, aber ich höre mich sagen: »Eine kann nicht schaden. Und du sagst ja: Ich habe Geburtstag. Aber nur eine, okay? Dann wirfst du die Packung weg?«
    Billy nickt ernsthaft, und dann hat er plötzlich wie ein Zauberer eine Flasche Wein, zwei Gläser und einen Korkenzieher in den Händen. Wir sind ganz allein auf diesem Hügel; niemand sonst ist zu sehen. Nur Billy und ich, hier oben im Maiwind. Billys Haar flattert um die Ohren, und ich denke plötzlich, dass er immer noch sehr gut aussieht. Er reicht mir ein Glas Wein und gibt mir Feuer für die Zigarette. Dann hebt er das Glas auf meine Gesundheit, und wir atmen den Rauch unserer Zigarette tief ein und spüren, wie das willkommene Gift unsere Lunge erfüllt.
    »Himmlisch!« Ich atme aus und stelle mein Glas ins Gras neben mir. Ich lasse mich zurücksinken und genieße den Nikotinrausch mit geschlossenen Augen.
    »Und hier sind deine Eltern mit euch hingegangen?« Billys Hand streicht über mein Bein, als er sich neben mich legt.
    »Ja. Ungefähr einmal im Jahr sind wir hier heraufgekommen, um zu picknicken. Meine Mutter hat es geliebt. Daddy aber auch.« Ich öffne die Augen und sehe einen Raubvogel, vielleicht einen Falken, der in meinem Blickfeld schwebt, ganz unbeweglich in den Strömungen der Luft. Er stößt herab und verschwindet. »Es ist mehr als zehn Jahre her, weißt du. Dass ich sie zuletzt gesehen habe. Seit du sie damals kennengelernt hast.«
    Billys Finger tasten nach meinen. »Du sprichst nie von ihnen. Macht es dir was aus? Ich meine, vermisst du sie?«
    »Manchmal. Meistens überhaupt nicht. Aber manchmal fühlt es sich an, als wäre es wichtig. Wenn deine Mum mich freundlicher aufgenommen hätte, wäre es vielleicht einfacher gewesen.«
    Billy liegt stumm neben mir. Er dreht sich mir zu und betrachtet mein Profil. »Ich weiß, Schatz. Aber wir haben uns und die Kinder.« Er beobachtet mich, und ich schließe die Augen. Er küsst meine Fingerknöchel. »Fühlst du dich nie versucht, sie anzurufen oder ihnen zu schreiben?«
    Ich setze mich auf und trinke einen großen Schluck Wein. »Das habe ich getan. Zu jedem Geburtstag habe ich ihm geschrieben, zu Weihnachten, und manchmal auch zwischendurch. Die letzten zehn Jahre.« Sorgfältig stelle ich mein Glas wieder in den Abdruck, den es im Gras hinterlassen hat.
    Billy setzt sich ebenfalls auf. »Deinem Dad? Das hast du mir nie erzählt.« Er klingt gekränkt.
    »Weil er meine Briefe nie beantwortet hat. Keinen einzigen.«
    Billy küsst mich auf den Mund. »Du hast mich, Mary.«
    Ich lächle und denke an den letzten Brief, den ich gestern Abend eingeworfen habe, am Vorabend meines dreißigsten Geburtstags. Als ich am Briefkasten stand, habe ich mich gefragt, ob sie sich wohl auch an meinen Geburtstag erinnern und ob ich heute Morgen eine Karte in der Post finden würde. Aber da war keine.
    »Warum schreibst du nur an deinen Dad?«, fragt Billy und schenkt uns Wein nach. »Und nicht an deine Mum?«
    »Weil sie mir nie verzeihen wird. Nie. Er schon. Vielleicht. Ich weiß es nicht. Egal. Vergessen wir die beiden. Was haben wir zu essen?«
    Billy breitet die Sachen auf der Decke aus. Er hat alle meine Lieblingsspeisen gekauft. Räucherlachs-Sandwiches. Trauben und Tomaten. Kleine Näpfe mit Schokoladen-Mousse. Madeira-Torte.
    »Ich hab letzte Woche ein paar Überstunden machen können«, erklärt er und reicht mir noch ein Sandwich. Dann wühlt er in seiner Jackentasche und zieht ein kleines, in rotes Seidenpapier gewickeltes Päckchen heraus. »Das ist hoffentlich okay.«
    Im Papier ist ein kleines, schwarzes Etui, und in dem Etui ist ein silberner Anhänger an einer feinen Kette. Der Anhänger stellt drei fliegende Vögel dar, die an den Flügelspitzen miteinander verbunden sind. Er ist hübsch und sehr zart.
    »Das ist wegen der Jungs. Weißt du, es steht für die drei Jungs. Der da ist Matthew, der mittlere ist Jake, und da am Ende ist Andy.«
    Meine Augen schwimmen in Tränen, und ich kann nicht sprechen. Billy zieht mich an sich und legt mir die Kette um den Hals.
    »Sie ist schön, Billy«, schniefe ich, und er lächelt so dankbar, dass ich ihn in die Arme nehmen und nie mehr loslassen möchte.
    Aber da kommt ein Mann mit seinem Hund an uns vorbei und nickt uns grüßend zu. Also drücke ich nur Billys Daumen. Wir teilen uns den Rest Wein, und dann wandern wir die Felder entlang und genießen den Blick auf die Städtchen und Dörfer,

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