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Am Ende ist da nur Freude

Am Ende ist da nur Freude

Titel: Am Ende ist da nur Freude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Kessler
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Jim Geschwister um Geschwister verlor.
    Als sein ältester Bruder Hugh im Sterben lag und mein lieber Stiefpapa an seiner Seite blieb, tröstete es uns alle sehr, als wir erfuhren, dass er kurz vor seinem Tod seine verstorbene Mutter gesehen hatte. Nun, nicht alle in der Familie glaubten an diesen Besuch. Paul, ein weiterer Bruder, sagte, das sei Unsinn, wahrscheinlich hätte Hugh in dem Moment nur an sie gedacht. Doch wenige Tage, bevor ein weiterer Onkel starb, kam unsere Großmutter wieder zu Besuch. Paul, der zweiflerische Onkel, war immer noch felsenfest davon überzeugt, dass die Visionen lediglich daher kommen, dass »einem einfach die Mami fehlt, wenn man stirbt«.
    Als in den folgenden Jahren auch meine übrigen Tanten und Onkel verstarben, fragte ich mich unweigerlich, ob sie wohl im anderen Leben eine Willkommensparty veranstalten würden. Dann erfuhr ich, dass mein Onkel Paul eines Tages ganz plötzlich an einem Herzinfarkt gestorben war. Bei der Beerdigung war ich neugierig und wollte wissen, ob unsere Großmutter ihn besucht hatte, trotz seiner Zweifel. Leider werde ich das nie erfahren, weil er allein gestorben ist.
    Einige Zeit später erhielt ich einen dringenden Anruf von meiner Mutter. Sie berichtete mir, dass Jim im Krankenhaus
war und es ihm sehr schlecht ging. Ich flog sofort nach Hause. Ich hoffte das Beste, wusste aber, dass Alter und Gesundheit nicht gerade auf seiner Seite waren. Er kämpfte schon seit vielen Jahren mit chronischem Herzversagen.
    Mein Stiefvater wurde aus dem Krankenhaus entlassen, aber er war so schwach, dass er schier mit dem Bett zu verschmelzen schien. Bei ihm waren seine Frau und seine vier mittlerweile erwachsenen Kinder. Wir wussten, dass sein Verfall nicht mehr aufzuhalten war. Aber trotz seiner Schwäche brachte Jim es fertig, ein, zwei Witze zu reißen, um die Stimmung etwas aufzuheitern, und jede Pflegekraft, die zu uns kam, nannte er seinen »Liebling«.
    In den folgenden Tagen konnte ich jedoch förmlich zusehen, wie Jim körperlich immer schwächer wurde. Er sprach seltener, und aus Geschichten wurden einzelne Abschnitte, aus Abschnitten nur noch Sätze. Ich dachte an seine Geschwister, die im Laufe der Jahre gestorben waren: Würden sie jetzt alle zu ihm kommen? Käme die Familie wieder zusammen? Und was ist mit meinem zweiflerischen Onkel Paul, der nie an Visionen glaubte? Würde er auch da sein?
    Als die letzten Tage meines Stiefvaters angebrochen waren, dachte ich nicht mehr daran, vor allem deshalb, weil ich so damit beschäftigt war, meiner Mutter zu helfen. Eines Tages kam jedoch eine Freundin meiner Eltern zu Besuch, und sie unterhielt sich mit meiner Mutter in der Küche. Ich war bei Jim, als er plötzlich aufsah und
fragte: »Wer bist du?« Dann begann er ein Gespräch, das nur er verstehen konnte. Ich hörte einfach nur zu. »Es ist mir eine Ehre, dass ich da sein durfte, und ich bin so froh, dass du das alles gesehen hast. Gern geschehen – ich bin dir auch dankbar.«
    Meine Gedanken rasten: Konnte es tatsächlich sein, dass er eine Vision hatte? War seine Mam da oder vielleicht eines seiner Geschwister? War es Onkel Paul, der Skeptiker? Oder vielleicht Hugh, der älteste Bruder, der zuerst gestorben war? Ich konnte nicht mehr an mich halten und fragte: »Dad, mit wem sprichst du?«
    »Buddy. Es ist Buddy.«
    »Wer ist das?«
    »Er dankt mir dafür, dass ich ein guter Vater war.«
    Ich war verwirrt. Alle meine Geschwister lebten noch. Hatte Jim ein Kind, von dem ich nichts wusste und das gestorben war? Da er nichts mehr sagte, verließ ich das Zimmer und ging in die Küche zu meiner Mutter. »Kennst du jemanden, der Buddy heißt?«, fragte ich sie.
    »Meine Güte, an den Namen habe ich ja schon jahrelang nicht mehr gedacht«, erwiderte sie. »Wo hast du den denn gehört?«
    »Dad hat ihn gerade gesagt.«
    »Als sie noch in der Highschool waren, hat Jim deinen Vater immer aufgezogen«, erzählte Mam. »Im Spaß nannte er ihn Buddy, als ob er nicht mehr wüsste, wie er hieß.«
    »Dad hat meinen leiblichen Vater gekannt?«
    »Ja. Sie waren aber nicht befreundet und haben auch nichts zusammen unternommen. Ich war ihre einzige gemeinsame Bekannte.«
    Plötzlich wurde mir klar, was gerade passiert war. Mein Vater war gekommen, um den Mann zu begrüßen, der meine Geschwister und mich großgezogen hatte. Er wollte Jim dafür danken, dass er sich um seine Kinder gekümmert hat, weil er es selbst nicht mehr konnte.
    »Mam, dieser Mann war gerade da! Er hat

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