Am Ende siegt die Liebe
kein Grund, sich so zu benehmen«, schrieb die junge Frau. »Daß wir beide heiraten, wird bei ihm ja schon zur Manie.«
»Ich glaube, er wünscht sich nichts sehnlichster.« Paul legte die Hä nde auf ihre Schultern. »Genau wie ich.«
Die junge Frau schob seine Hände beiseite. Daß sie Paul wir klich gern hatte, machte alles noch viel schwerer. »Wenn du mir nicht ständig nachrennen würdest, käme Vater gar nicht auf die Idee, daß aus uns noch ein Paar werden könnte«, hielt sie ihm vor.
Paul warf nur einen kurzen Blick auf den Block. »Und was soll ich dagegen tun, daß ich dich liebe, Franziska?« fragte er. »Meinst du denn, für mich ist es leicht, dir ständig zu begegnen und zu spüren, daß du nichts von mir wissen willst?« Er atmete tief durch. »Franziska, es sind nicht immer die schlechtesten Ehen, die aus Vernunftgründen geschlo ssen werden.«
Die Küchentür öffnete sich. Magdalena Walkhofer schob ihren Br uder im Rollstuhl zu seiner Schlafstube.
»Einen Moment«, bat Anton Löbl und schaute die Treppe hi nauf. »Franziska!« Er streckte die Hand nach seiner Tochter aus.
Die junge Frau zögerte für den Bruchteil einer Sekunde, dann stieg sie die Treppe hinunter und ergriff seine Hand. Plötzlich konnte sie ihrem Vater nicht mehr böse sein. Sie beugte sich über ihn und küßte ihn auf die Wange.
»Ich bin manchmal schon ein starrköpfiger Esel«, bekannte er. »Hilfst du mir, mich für die Kirche fertigzumachen?«
Franziska nickte.
»Fein.« Er schaute zu ihr auf. »Und heute nachmittag könnten wir wie in alten Zeiten eine Partie Schach spielen, oder hast du schon etwas anderes vor?«
»Ich habe noch nichts vor«, schrieb Franziska, legte den Block auf seinen Schoß und schob ihn in die Schlafstube. Sie war froh, daß sich die Wogen geglättet hatten, aber auch realistisch genug, um zu wissen, wie bald es zu einem erneuten Streit kommen konnte. Es kostete sie jedesmal eine Menge Kraft, sich mit jema ndem zu streiten, der sprechen konnte, weil sie sich da von vornherein unterlegen fühlte.
* * *
Michael Lange verließ den Aufzug und wollte sich der Treppe zuwenden, die zum Dachboden hinaufführte, als er Say Wagner aus einem der Zimmer kommen sah. Die junge Thailänderin b emerkte ihn nicht. Tief in Gedanken nahm sie vier Handtücher vom Karren und kehrte damit ins Zimmer zurück.
Michael konnte sich nicht erinnern, sie in den letzten Tagen auch nur ein einziges Mal lächeln gesehen zu haben. Früher war sie immer lustig und fröhlich gewesen, stets zu einem Scherz aufgelegt. Er konnte verstehen, daß sie sich Sorgen machte. I mmerhin hatte sie ihm schon vor einigen Wochen erzählt, daß ihr keiner sagen konnte, wo sich ihre Schwester und deren Sohn aufhielten.
»Guten Morgen, Say«, wünschte er, als sie wieder in den Ko rridor trat.
Say zuckte heftig zusammen. Sie legte eine Hand auf ihre Brust. »Haben Sie mich erschreckt, Herr Lange«, meinte sie.
»Tut mir leid, das wollte ich nicht.« Er trat zu ihr. »Haben Sie etwas von Ihrer Schwester und Ihrem Neffen gehört?«
Say schüttelte den Kopf. »Nein«, flüsterte sie. »Nein, ich habe noch nichts von ihnen g ehört.«
»Ich wünschte, ich könnte Ihnen helfen.« Michael dachte nach. »H aben Sie sich schon an Ihre Botschaft gewandt?«
Sie nickte. »Dort kann man mir auch nicht weiterhelfen.« Say nahm ihren ganzen Mut zusammen. »Kim und David...«, begann sie, dann preßte sie die Lippen zusammen. Sie konnte dem Hot elier nicht sagen, daß ihre Schwester und deren Sohn längst in Rottach-Egern waren. Beide besaßen keine Aufenthaltsgenehmigung. Davon abgesehen, daß sie nicht sicher war, ob Michael Lange ihnen auch unter diesen Voraussetzungen helfen wollte, es würde ihn nur selbst in Schwierigkeiten bringen.
»Was wollten Sie sagen, Say?«
»Ich wollte Ihnen nur danken, weil Sie soviel Anteil nehmen.« Sie zwang sich zu einem Lächeln.
Michael spürte, daß die junge Thailänderin nicht ganz aufric htig mit ihm war. Seit sie das letzte Mal über ihre Schwester gesprochen hatten, mußte irgend etwas passiert sein. Er wollte sie nicht zu sehr bedrängen, zudem war er sicher, daß sie zu ihm kommen würde, wenn sie nicht mehr ein noch aus wußte.
»Sagen Sie mir, wenn ich etwas tun kann«, bat er.
»Ja, das werde ich«, versprach sie. »Ich... Ich muß weitermachen, sonst werde ich mit den Zimmern nicht fertig.« Demonstrativ wies sie auf den Karren.
»So will ich Sie nicht länger aufhalten«, meinte er und
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