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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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sich zu erinnern, wie viele sie waren - als machte das irgendeinen Unterschied -, denn er wusste, dass seine Tante zwar mit einem oder zwei dieser Jungen fertig werden konnte, vielleicht sogar mit Dreien. Aber eine Konfrontation mit mehreren würde sie in Bedrängnis bringen.
    Joel zwang sich, seine Angst ebenso zu überwinden wie das Rumoren in seinem Bauch. Er richtete sich auf und krabbelte zum Rand des Containers. Die heulenden Sirenen, die sich in diesem Moment auf der Harrow Road näherten, retteten ihn.
    Er wusste genau: Seine Tante hatte vorausgesehen, was die Jungen tun würden, und die Polizei gerufen, sobald Joel in der Gasse verschwunden war. Sie hatte die taffe Lady gespielt, und ihr Akzent, ihre Sprechweise und die Ausdrücke »Jugendgang« oder besser noch »Bande schwarzer Halbstarker« hatte die Polizei schneller als üblich auf den Plan gerufen, und sie war mit Blaulicht, Sirenen, Schlagstöcken und Handschellen ausgerückt. Neal Wyatt und seine Meute würden gleich Bekanntschaft mit den wenig zimperlichen Beamten der Polizeiwache Harrow Road machen, wenn sie nicht schleunigst den Laden verließen. Seine Tante hatte die Schlacht gewonnen.
    Joel sprang auf die Erde und eilte davon. Keine fünf Minuten später betrat er das Lernzentrum.
    Im Eingangsbereich hielt er inne, um sich den Dreck von der Kleidung zu klopfen. Der Inhalt des Müllcontainers hatte sichtbare Spuren hinterlassen. Joel war auf einer Tüte mit Küchenabfällen gelandet, vornehmlich gebackene Bohnen und Kaffeesatz. Ein Hosenbein seiner Jeans war damit verziert, während seine Schulter Bekanntschaft mit den Überresten eines Senf-sandwichs gemacht hatte. Joel brachte seine Erscheinung in Ordnung, so gut er konnte, dann öffnete er die zweite Tür.
    Toby saß auf einem der rissigen Kunstledersofas am Empfang. Er hielt die Lavalampe auf dem Schoß, die Hände um den Sockel gelegt. Er starrte unverwandt darauf, hatte die Schultern hochgezogen, und seine Unterlippe bebte.
    Joel sagte fröhlich: »Hey, Tobe. Was geht, Mann.«
    Toby schaute auf. Ein breites Lächeln vertrieb den weinerlichen Ausdruck von seinem Gesicht. Er krabbelte vom Sofa, als hätte er es eilig zu verschwinden. Joel ging auf, dass Toby Angst gehabt hatte, niemand werde kommen, um ihn abzuholen und nach Hause zu bringen. Joels Brust zog sich zusammen. Sein Bruder, beschloss er, sollte nie wieder solche Angst fühlen.
    »Lass uns abhau'n, Mann. Biste so weit? Tut mir leid, dass ich so spät dran bin. Du hast dir doch keine Sorgen gemacht oder so?«
    Toby schüttelte den Kopf. Sein Kummer war schon vergessen. »Quatsch«, sagte er. »Hey, könn' wir auf dem Weg nach Hause Pommes hol'n? Ich hab fünfzig Pence. Hat Dix mir gegeben. Und die fünf Pfund von Gran hab ich auch noch.«
    »Aber die Kohle willste doch nich' für Pommes verschleudern«, mahnte Joel. »Das is' dein Geburtstagsgeld. Du musst dir was davon kaufen, das dich an deinen Geburtstag erinnert.«
    »Aber wenn ich doch Pommes will? Wie soll ich die sonst kriegen? Und die fünfzig Pence waren doch gar kein Geburtstagsgeld.«
    Joel sann auf einen Weg, Toby schonend beizubringen, dass man für fünfzig Pence keine Pommes frites bekam - Geburtstagsgeld hin oder her -, als eine große schwarze Frau mit kurz geschorenem Haar und goldenen Creolen, groß wie Radkappen, aus einem der Büros trat: Luce Chinaka, Tobys Betreuerin. Lächelnd sagte sie: »Ich dachte, ich hätte hier draußen jemanden gehört, der sich mit meinem jungen Freund unterhält. Kann ich dich kurz sprechen?«, fragte sie Joel, ehe sie, an Toby gewandt, fortfuhr: »Hast du etwa vergessen, ihm zu sagen,dass ich ihn sprechen wollte, wenn er dich abholen kommt, Mr. Campbell?«
    Toby ließ den Kopf hängen und drückte die Lavalampe fester an seine Brust. Luce Chinaka fuhr ihm über den gerupften Schopf und sagte: »Ist schon gut, Schatz. Du darfst ruhig mal was vergessen. Warte hier, sei so lieb. Wir brauchen nicht lange.«
    Toby sah Hilfe suchend zu seinem Bruder. Joel erkannte die aufsteigende Panik, die der Kleine bei der Vorstellung empfand, so kurz nach seiner Rettung schon wieder allein gelassen zu werden. »Hau dich wieder aufs Sofa, Mann«, sagte er beruhigend und suchte den Empfang ab, bis er einen Spiderman-Comic gefunden hatte, den Toby durchblättern konnte. Er versicherte ihm, es werde nicht lange dauern.
    Toby klemmte sich das Heft unter den Arm und kletterte zurück auf die Couch. Sorgsam stellte er die Lavalampe neben sich ab und legte

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