Am Ende war die Tat
is' nix«, versicherte er ihr. »Er is' kein Problem. Das hier war einfach was, was ich tun musste, okay? Ich hab nix Illegales gemacht. Niemand' is' was passiert.«
»Und wir werden an deiner Sprache arbeiten«, sagte sie. »Ich will diesen Straßenslang nicht mehr hören.«
»Aber Dix redet ...«
»Womit wir bei Dix wären. Er tut sein Bestes für euch. Ihr müsst ihm aber auch entgegenkommen.« Sie stand auf. »Ichhabe mich bisher rausgehalten, aber damit ist jetzt Schluss. Es wird Zeit, dass die Polizei ...«
»Muss' du ...«
»Deine Sprache!«
»Musst du dich da unbedingt einmischen, Tante Ken? Bitte. Tu das nicht!«
»Dafür ist es zu spät. Du bleibst zwei Nächte einfach weg und willst nichts darüber sagen, Joel. Darum ist es zu spät.«
»Tu das nicht! Bitte«, flehte Joel.
Die Heftigkeit seines Protestes verriet Kendra, dass Neal Wyatt tatsächlich die Ursache dessen war, was in Joels Leben schiefging. Er hatte das Boot angezündet, Toby auf der Straße überfallen, sie im Laden bedroht. Sie war fest entschlossen, die Polizei anzurufen. Irgendetwas musste gegen diesen Jungen unternommen werden. Selbst wenn keine Anzeige dabei herauskam, wäre er wenigstens gewarnt.
Hibah war diejenige, die Joel die Nachricht überbrachte. Sie fand ihn nach der Schule an der Bushaltestelle, sagte aber nichts, bis sie beide eingestiegen waren. Der Bus war so überfüllt, dass sie gezwungen waren, zu stehen und sich an die Haltestangen zu klammern. Gedämpft zischte sie: »Wieso hast du ihn verpfiffen, Joel? Weißt du denn nicht, wie verdammt dumm das war? Weißt du, was er jetzt mit dir machen wird?«
Joel sah, dass ihr Gesicht unter dem Kopftuch ganz verkniffen war. Er merkte, dass sie wütend war, aber er begriff nicht, warum. »Ich hab niemand verpfiffen«, entgegnete er. »Wovon redeste eigentlich?«
»Ach, du has' also niemand' verpfiffen, ja?«, höhnte sie. »Wieso interessieren die Cops sich dann plötzlich für Neal, wenn du nich' gesungen has', Joel? Sie haben ihn aufs Revier bestellt wegen dem blöden Boot. Und von wegen Leute auf der Straße anmachen, zum Beispiel dein' Bruder. Wenn du's nich' wars', wer dann?«
Joel fühlte, wie die Luft aus seiner Lunge gepresst wurde. »Meine Tante. Die hatte so was schon angedroht.«»Deine Tante. Klar doch«, spottete Hibah. »Und sie kennt Neals Namen, ohne dass du 'n ihr gesagt has'? Du bis' so ein verdammt dämlicher Vollidiot, Joel Campbell. Ich sag dir, wie du mit Neal umgeh'n solls', und du tus' das hier stattdessen. Du has' ihn wütend gemacht, und jetz' hat er's auf dich abge- seh'n. Und denk lieber nich', ich könnt dir helfen, denn das kann ich nich'. Verstehste, Mann? Du has' einfach nix in der Birne.«
Joel hatte Hibah nie mit solcher Leidenschaft sprechen hören und erkannte das Ausmaß der Gefahr, in der er schwebte - und nicht nur er selbst. Neal Wyatt war clever und entschlossen genug, über seine Familie an Joel heranzukommen, wie er es in Tobys Fall ja schon bewiesen hatte. Er verfluchte seine Tante für ihre Unfähigkeit zu erkennen, was sie mit ihrer Einmischung möglicherweise in Gang gesetzt hatte.
Irgendetwas musste geschehen. Selbst wenn The Blade sein Versprechen eingelöst und sich Neal vorgenommen hatte - die Tatsache, dass sein Name der Polizei zugespielt worden war, machte all das zwecklos und hatte Neals Feindseligkeit nur aufs Neue angefacht. Genau genommen hätte Kendra kaum einen besseren Weg finden können, um die Lage zu verschlimmern.
Nachdem er seine Möglichkeiten abgewogen hatte, kam Joel zu dem Schluss, dass Ivan Weatherall die Lösung für wenigstens einen Teil seiner Probleme sein könnte. Ivan, die Lyrik und Führt Worte statt Waffen sollten die Tür sein, die er durchschritt, um alles wieder in Ordnung zu bringen.
Joel hatte Ivan seit der Woche vor dem Friedhofsfiasko und allem, was dem gefolgt war, als Kendra der Polizei Ivans Namen genannt hatte, nicht mehr gesehen. Aber Joel wusste, an welchen Tagen Ivan zur Holland Park School kam. Er meldete im Sekretariat an, dass er ihn sprechen wolle, und wartete, bis er hereingerufen wurde. Trotz allem, was passiert war, glaubte er, dass Ivan mit ihm reden würde, denn Ivan war schließlich Ivan: optimistisch bis an die Grenze der Unvernunft, wenn es um junge Leute ging. Also bereitete Joel sich vor, indem er fünf
Gedichte schrieb - nicht viel mehr als holprige Knittelverse. Aber sie mussten eben reichen. Dann wartete er.
Ihm fiel ein Stein vom Herzen, als er
Weitere Kostenlose Bücher