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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Sie is' so was von sauer auf mich.«
    »Und was, wenn ich sie anriefe? Oder im AIDS-Laden auf einen Plausch vorbeischaute?«
    Das war genau das, worauf Joel gehofft hatte, aber er wollte nicht übermäßig enthusiastisch erscheinen. Ivan könne es ja mal versuchen, erwiderte er. Tante Kendra habe ein schlechtes Gewissen, weil sie Ivan die Cops auf den Hals gehetzt hatte. Vielleicht wollte sie es wiedergutmachen.
    Dann galt es nur noch abzuwarten. Es dauerte nicht einmal lange. Noch am selben Nachmittag stattete Ivan Joels Tante einen Besuch ab und nahm die fünf Gedichte des Jungen mit. Sie waren sich nie zuvor persönlich begegnet, und als Ivan sich vorstellte, wurde Kendra schlagartig verlegen. Sie riss sich zusammen, sagte sich, sie habe nur getan, was getan werden musste, als Joel plötzlich verschwunden war. Sie fand, wenn ein weißer Mann sich mit schwarzen Jugendlichen abgab, hatte er es sich selbst zuzuschreiben, dass er unter Verdacht geriet, wenn ihnen etwas zustieß.
    Die Tatsache, dass Ivan so willig war, den Vorfall beiseitezuschieben, zerstreute von vornherein Kendras Bedenken, die sie gegen seinen Vorschlag hätte vorbringen können. Ivan erklärte, dass Joels Schreiben, das gewiss seine beste Zukunftschance repräsentiere, unter den Einschränkungen litt, die Kendra ihm auferlegt hatte. Und auch wenn er, Ivan, überzeugt sei, dass diese Einschränkungen durchaus verdient seien, frage er sichdoch, ob Mrs. Osborne vielleicht bereit wäre, sie nur gerade so weit aufzuheben, dass Joel wieder an Führt Worte statt Waffen teilnehmen könne. Dort käme er mit anderen Dichtern zusammen, deren Kritik und Ermutigung nicht nur zu einer Verbesserung seines Werks führen würde, sondern wo er auch Gelegenheit habe, mit Menschen jeder Altersgruppe zusammenzukommen - eben auch jungen Menschen, die sich auf kreative Weise engagierten, sodass sie nicht auf der Straße herumlungerten und in Schwierigkeiten gerieten.
    Er zeigte Kendra die Gedichte, die Joel geschrieben hatte. Obwohl sie kein geschultes Auge hatte für Metaphern, Metrum und all diese Dinge, die mit Dichtkunst zu tun hatten, war sie doch in der Lage zu erkennen, dass dieses Geschreibsel sich mit Joels früheren Arbeiten nicht vergleichen ließ. Da Dix' Bemühungen keine Früchte trugen - er hatte Joel Tag für Tag mit ins Rainbow Café genommen; da Fabia Bender immer noch auf einem positiven äußeren Einfluss beharrte, um Joel auf dem rechten Pfad zu halten; da Führt Worte statt Waffen wenigstens in der Nähe stattfand und keine ewig lange Busfahrt zu einer Einrichtung auf der anderen Seite der Themse erforderte, über die Kendra nichts wusste; und da sie Joel sein Ehrenwort abnehmen konnte, dass er nach dem Schreibkurs auf direktem Weg heimkommen werde, willigte Kendra schließlich ein. Aber sollte sie herausfinden, dass er noch irgendwo anders hingegangen sei außer zu Führt Worte statt Waffen, dann könne er sich auf etwas gefasst machen, das jenseits seiner Vorstellungskraft lag.
    »Ist das klar?«, fragte sie ihren Neffen.
    »Ja, Ma'am«, erklärte er feierlich.
    In Joels Kopf arbeitete es ununterbrochen, und er machte Pläne. Neal war wieder aufgetaucht, was kaum überraschend war. Er blieb auf Distanz, aber er observierte Joel, der nie wusste, wo er ihn als Nächstes sehen würde. Neal schien die Fähigkeit zu besitzen, einfach plötzlich irgendwo aufzutauchen, als sei er dorthin gebeamt worden. Auch schien er überall Kontakte zu haben, und Jungen, die Joel bislang nie mit Neal in Ver-bindung gebracht hatte, rempelten ihn plötzlich an, flüsterten ihm an der Bushaltestelle oder in Meanwhile Gardens Neals Namen zu, riefen vor Tobys Schule einem unsichtbaren Neal einen Gruß zu. Neal Wyatt wurde zu einer allgegenwärtigen, aber unsichtbaren Präsenz, und Joel wusste, er wartete nur auf die Gelegenheit, um die Rechnung zu begleichen, die Kendra aufgemacht hatte.
    All das signalisierte Joel, dass er noch einmal zu The Blade gehen musste, und Führt Worte statt Waffen gab ihm die Möglichkeit dazu. Als der Abend des Schreibkurses kam, machte er sich auf den Weg, die Warnung seiner Tante noch im Ohr: Sie werde Ivan anrufen, um sicher zugehen, dass Joel wirklich zu dem Kurs und nirgendwo anders hingehe. Ob das klar sei? Er versicherte ihr, er habe sie verstanden.
    Er hatte nicht direkt einen Plan, aber er kannte den Ablauf, und den beabsichtigte er sich zunutze zu machen. Er war oft genug bei Führt Worte statt Waffen gewesen, um zu wissen, wie Ivan

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