Am Ende war die Tat
mag es nicht, wenn ich ausgenutzt werde. Noch weniger mag ich es, wenn Führt Worte ausgenutzt wird, weil das dem Gründungsgedanken von Führt Worte zuwiderläuft. Verstehst du?«
Nein, hätte die ehrliche Antwort gelautet. Doch er wusste, dass er es eigentlich hätte verstehen müssen. Dieses Wissen - und das Wissen um sein Versagen - veranlasste ihn zu schweigen.
Ivan wertete dieses Schweigen als Gleichgültigkeit, und das kränkte ihn. Er bemühte sich, nicht auf ein »Nach allem, was ich für dich getan habe« zu verfallen. Er wusste genug über Jungen wie Joel, um zu verstehen, dass ihr Benehmen nichts mit ihm zu tun hatte. Doch er hatte geglaubt, Joel sei anders, empfänglicher für Nuancen, und Ivan wollte einfach nicht in Betracht ziehen, dass er sich geirrt haben könnte.
»Du bist zu Führt Worte statt Waffen gekommen, aber dannbist du wieder verschwunden. Im Verlauf von >Du hast das Wort<. Du dachtest, ich würde es nicht merken, und das hätte ich vielleicht auch nicht, hätte deine Tante nicht angerufen. Oh, ich meine nicht den Anruf, als sie mich nach dem Geld gefragt hat. Es gab einen früheren.«
Joels Brauen fuhren hoch, ehe er es verhindern konnte. Er biss sich auf die Lippen.
»Ja. Am selben Abend hat sie mich angerufen. Mitten in >Du hast das Wort<, darum habe ich gemerkt, dass du nicht mehr da warst. Aber ich war nicht sicher. Es hätte ja sein können, dass du nur zur Toilette warst, als mein Handy klingelte, also konnte ich ihr nicht sagen, du seiest nicht da. Sicher ist er hier, hab ich ihr geantwortet. Er hat uns sogar ein ziemlich schreckliches Gedicht vorgelesen, Mrs. Osborne. Seien Sie ganz unbesorgt, habe ich gesagt. Ich achte darauf, dass er sofort nach Hause geht, wenn wir hier Schluss machen.«
Joel sah hinab auf seine Turnschuhe. Ein Schnürsenkel hatte sich gelöst. Er bückte sich und band ihn neu.
»Ich mag es nicht, ausgenutzt zu werden«, wiederholte Ivan.
»Sie hätten ihr ja nicht sagen müssen ...«
»Dass du dort warst? Das ist mir klar. Aber du warst ja da. Das hast du schlau eingefädelt. Du warst da, du hast dich vergewissert, dass ich das merke, und dann bist du verschwunden. Möchtest du mir darüber etwas erzählen?«
»Gibt nix zu erzähl'n, Mann.«
»Wohin bist du gegangen?«
Joel antwortete nicht.
»Joel, verstehst du denn nicht? Wenn ich dir helfen soll, brauchen wir eine Vertrauensbasis. Ich dachte, die hätten wir. Jetzt zu erkennen, dass ich mich getäuscht habe ... Was ist es, worüber du nicht reden willst? Hat es etwas mit Neal Wyatt zu tun?«
Ja und nein, aber wie sollte er Ivan das erklären? Für Ivan war die Lösung aller Probleme, Gedichte zu schreiben, sie Fremden vorzulesen, ihrer Meinung zu lauschen und vorzuge - ben, dass sich irgendetwas im Leben änderte, wo sich doch in Wahrheit gar nichts änderte. Im Grunde war es doch nur Schauspielerei - eine wirkungslose Salbe auf einer Wunde, die niemals verheilte.
»Nein, nix«, sagte er schließlich. »Ich hatte einfach kein' Bock zu bleiben. Wie gesagt, ich schreib nix mehr. Es bringt mir nix, Ivan. Das is' alles.«
Ivan versuchte, sich diese Worte zunutze zu machen. Er sah keine andere Möglichkeit. »Du hast also eine Durststrecke. Das passiert jedem mal. Das Beste wäre, du würdest dich auf ein anderes kreatives Feld begeben, um dich davon abzulenken, ob es nun mit dem geschriebenen Wort zu tun hat oder nicht.« Er schwieg, während er auf einen Weg sann, dem Jungen über sein Problem hinwegzuhelfen: eine Schreibblockade, die durch seine häuslichen Umstände bedingt war. Es war sinnlos, ihm Malerei, Bildhauerei, Tanz, Musik oder sonst irgendetwas vorzuschlagen, wozu er das Haus verlassen musste, was seine Tante nicht erlauben würde. Aber es gab eine Möglichkeit: »Mach bei unserem Filmprojekt mit«, schlug er vor. »Du warst doch schon mal bei einem der Treffen und hast gesehen, was wir dort vorhaben. Wir brauchen neue Ideen fürs Drehbuch, und deine wären mehr als willkommen. Wenn deine Tante zustimmt, dass du unsere Treffen besuchst - vielleicht anfangs einmal die Woche? -, dann bestehen gute Chancen, dass das Arbeiten mit Worten deine Kreativität stimuliert und wieder in Gang bringt.«
Joel konnte sich gut vorstellen, wie das ablaufen würde, und sah nicht, wie es ihn weiterbringen sollte. Er würde zu diesen Treffen gehen, wenn seine Tante es erlaubte, und sie würde dann mittendrin Ivan anrufen, um sich zu vergewissern, dass Joel wirklich dort war. Doch er hatte dem
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