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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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sich zu Ness.
    Die Antwort würde ein Albtraum sein, das war ihr klar, doch sie musste ihre Nichte einfach fragen: »Ness, Ness, was ist dir nur passiert, Baby?«
    »Ich konnte nicht ...«, war alles, was Ness herausbrachte. Sie weinte immer noch und fuhr fort, ihr eigenes Gesicht zu malträtieren. »Sie konnte, aber ich nicht.«
    10
    Natürlich trug Joel für die Ereignisse, die über Tobys Geburtstagsfeier hereingebrochen waren, nicht die Verantwortung. Trotzdem fühlte er sich schuldig. Tobys Abend war in eine Katastrophe gemündet. Joel war sich bewusst, wie wenig sein Bruder vom Leben forderte, und darum war er umso entschlossener, alles zu tun, um ein solches Desaster in Zukunft zu verhindern.
    Chaos hatte auch den Rest des Abends bestimmt. Nachdem Dix D'Court The Blade vor die Tür gesetzt hatte, musste Ness versorgt werden. Ihrer Kopfwunde war mit einem einfachen Pflaster nicht beizukommen, darum hatten Kendra und Dix sie zum nächsten Krankenhaus gebracht, ein verwaschenes Geschirrtuch mit dem verblassten Konterfei der Princess of Wales als notdürftigen Verband auf den Schnitt gedrückt, um die Blutung zu stoppen. Joel blieb allein zurück mit den Überresten des Abendessens und dem Durcheinander, das The Blades Besuch hinterlassen hatte. Er konnte all das entweder ignorieren oder Ordnung schaffen. Er entschied sich dafür, den Abwasch zu erledigen, er räumte Küche und Essnische auf, schälte vorsichtig die »Happy Birthday«-Girlande vom Fenster und legte die Briefmarken zurück in das Heftchen und neben den Toaster, wo er sie gefunden hatte. Er wollte wiedergutmachen, was geschehen war, und widmete sich seiner Arbeit mit verzweifelter Entschlossenheit. Derweil saß Toby am Küchentisch, das Kinn auf die Fäuste gestützt, starrte auf seine Lavalampe und atmete durch den neuen Schnorchel. Er erwähnte mit keinem Wort, was passiert war. Er war längst wieder in Sosi.
    Sobald Joel das Erdgeschoss des Hauses in Ordnung gebracht hatte, brachte er Toby nach oben und setzte ihn erst in die Badewanne - was Toby völlig zu Recht als erste echte Gelegenheit
     

sah, seine Tauchermaske und den Schnorchel auszuprobieren - und anschließend vor den Fernseher. Beide Jungen schliefen schließlich auf dem Sofa ein und wachten auch nicht auf, als ihre Tante mit Ness nach Hause kam. Kendra weckte sie sanft und erklärte, Ness sei jetzt oben im Bett. Die Wunde war mit zehn Stichen genäht worden und verbunden, aber sie durften ihre Schwester vor dem Schlafengehen kurz besuchen, wenn sie wollten, um sich zu vergewissern, dass es ihr gut ging.
    Ness lag in Kendras Bett, ihr Kopf ganz in Weiß umwickelt, sodass sie aussah, als trage sie einen Turban. Vom Umfang des Verbandes hätte man meinen können, dass Ness einer Gehirnoperation unterzogen worden wäre, aber Kendra erklärte ihnen, der Turban habe eher kosmetische als medizinische Gründe. Die Krankenschwester hatte Ness stellenweise den Schädel rasieren müssen, um an die Schnittwunde zu gelangen, und Ness hatte sie gebeten, die kahle Stelle zu bedecken.
    Ness schlief nicht, aber sie redete auch nicht. Joel wusste, es war klüger, sie in Frieden zu lassen, also sagte er lediglich, er sei froh, dass es ihr gut gehe. Er trat zu ihr und strich ihr ungeschickt über die Schulter. Sie hatte den Blick auf ihn gerichtet, aber es kam ihm vor, als sehe sie durch ihn hindurch. Toby schaute sie überhaupt nicht an.
    Joel fühlte sich an ihre Mutter erinnert, was sein Bedürfnis, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen, nur noch stärker werden ließ. Ihr Leben sollte wieder so werden, wie es einmal gewesen war. Dass das - angesichts des Todes ihres Vaters und des Zustands ihrer Mutter - unmöglich war, machte das Gefühl nur drängender. Er suchte nach irgendetwas, nach einer Art Schmerzstiller. Doch seine Möglichkeiten waren begrenzt. Er durchschaute nur unzureichend, was mit seiner Familie passierte. Er entschied schließlich, ein neues Geburtstagsschild zu beschaffen, um allen eine Freude zu machen.
    Das nötige Geld beschaffte er sich, indem er eine Woche lang den Heimweg von der Schule zu Fuß zurücklegte und das Busgeld beiseitelegte. Das hieß aber auch, dass Toby viel länger als sonst allein an der Middle Row School auf ihn warten mussteund zu spät zum Förderunterricht kam. Doch das schien Joel das Geburtstagsschild wert zu sein.
    Er suchte danach an drei verschiedenen Orten: zuerst an der Portobello Road. Weil er dort nicht fündig wurde, probierte er es an der

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