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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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fast zärtlich auf den Tisch, zusammen mit einem Heftchen, das eine Art Montageanleitung zu enthalten schien. Als Letztes kam ein Päckchen ans Licht, aus dem Ivan ein Paar dünner weißer Handschuhe zog. Er legte sie sich aufs Knie und drehte sich zur Seite, um eine Holzkiste am Fuße des Schreibtischs zu durchforsten. Dort fand er ein zweites Paar Handschuhe, das er Joel reichte. »Die wirst du brauchen«, erklärte er. »Wir dürfen das Messing nicht berühren, sonst hinterlassen wir Fingerabdrücke darauf, und das wäre das Ende.«
    Folgsam streifte Joel die Handschuhe über, während Ivan die Montageanleitung entfaltete, auf dem Tisch ausbreitete und eine vorsintflutliche Nickelbrille aus der Brusttasche seines karierten Hemdes zog. Er rückte sie auf seiner Nase zurecht und fuhr dann mit dem Finger die ersten Zeilen der Anleitung entlang, bis er fand, wonach er suchte. Dann zog er ebenfalls seine Handschuhe an. »Zuerst eine Inhaltskontrolle. Das ist von entscheidender Wichtigkeit, weißt du. Andere sind vielleicht so ungestüm, direkt loszulegen, ohne sicherzugehen, dass sie alles Notwendige beisammenhaben. Wir hingegen werden nicht so töricht sein, einfach anzunehmen, im Besitz aller Dinge zu sein,die wir brauchen, um ans Ziel dieser Reise zu gelangen. Fangen wir mit dem Tütchen mit der Aufschrift >A< an. Aber mach es beim Aufreißen nicht kaputt! Nach der Inventur werden wir den Inhalt wieder hineinpacken.«
    Die beiden machten sich an die Arbeit und verglichen das, was geschickt worden war, mit der Liste. Jedes Schräubchen, jeder winzige Bolzen wurde abgehakt, jedes Zahnrädchen, jede Achse und jedes Messingteil. Und die ganze Zeit über plauderte Ivan über Uhren und erklärte, woher seine Liebe zu ihnen kam. Am Ende seiner Ausführungen fragte er unvermittelt: »Was hat dich zur Sixth Avenue geführt, Joel?«
    Joel wählte die einfachste Antwort. »Hab das Plakat geseh'n.«
    Ivan runzelte die Stirn. »Und dabei handelt es sich um ...?«
    »Das für den Drehbuchkurs. Paddington Arts. Sie sind doch der Lehrer, oder?«
    Ivan schien erfreut. »So ist es. Willst du dich anmelden? Bist du deswegen gekommen? Alter spielt keine Rolle, falls dir das Sorgen bereitet. Wir führen immer ein Gemeinschaftsprojekt durch, aus dem schließlich der Film entsteht.«
    »Was? Sie machen 'nen echten Film?«
    »Allerdings! Ich habe dir doch erzählt, dass ich einmal Filmproduzent war, oder? Nun, mit einem Drehbuch beginnt ein jeder Film. Ich habe festgestellt: Je mehr Köpfe an einem Projekt beteiligt sind, umso besser für die Anfangsphase. Später, wenn wir anfangen, das Ganze zu überarbeiten und daran zu feilen, tritt immer einer in den Vordergrund, dessen Stimme sich als die stärkste erweist. Interessiert dich das?«
    »Ich wollte eigentlich ein Geburtstagsschild kaufen. Auf der Harrow Road.«
    »Oh. Verstehe. Also hast du keine Ambitionen im Filmgeschäft? Nun, daraus kann man dir kaum einen Vorwurf machen. Moderne Filme bestehen ja doch nur noch aus Computeranimationen und -montagen, Verfolgungsjagden und Explosionen. Ich sage dir, Joel, Hitchcock rotiert in seinem Grab! Ganz zu schweigen von Cecil B. DeMille. Also, was hastdu für deine Zukunft geplant? Rocksänger? Fußballer? Oberster Richter? Wissenschaftler? Banker?«
    Joel stand abrupt auf. Auch wenn er der Konversation nicht immer ganz hatte folgen können, merkte er doch, wann sich jemand über ihn lustig machte, selbst wenn derjenige nicht lachte. »Ich hau ab, Mann«, sagte er, zog die Handschuhe aus und klaubte das Banner vom Boden.
    »Du meine Güte!« Ivan schnellte hoch. »Was ist los? Hab ich irgendetwas gesagt ... ? Hör mal, ich sehe, dass ich dich irgendwie gekränkt habe, aber sei versichert, es war nicht meine Absicht ... Oh. Ich glaube, ich weiß. Du hast angenommen ... Joel, hast du etwa geglaubt, ich will dich auf den Arm nehmen? Warum solltest du nicht Oberster Richter oder Premierminister werden, wenn das dein Wunsch ist? Warum nicht Astronaut oder Neurochirurg, wenn dich das interessiert?«
    Joel zauderte, versuchte, Ivans Worte, Tonfall und Gesichtsausdruck zu deuten. Der Mann stand mit einer ausgestreckten Hand vor ihm, und mit den weißen Handschuhen sah er aus wie Mickymaus.
    »Joel«, setzte Ivan wieder an. »Vielleicht solltest du es mir sagen.«
    Joel fühlte einen eisigen Schauer. »Was?«
    »Die meisten Leute finden mich so harmlos wie ... wie einen Wattebausch. Ich plappere manchmal einfach drauflos, ohne darüber nachzudenken, wie

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