Am Ende zählt nur das Leben
seit vielen Jahren verlängerte Wochenenden und schaute in der Wintersaison gern beim berühmten Skirennen zu.
An unserem Hochzeitstag zeigte sich der Herbst von seiner schönsten Seite, beinah wie ein Sommertag. Cay hatte ein Zimmer in einem teuren Hotel gebucht. Nachdem wir eingecheckt hatten, gingen wir sofort auf den Tennisplatz. Sarah saß in ihrem Kindersitz neben dem Spielfeld und schlief. Ich genoss es, wenn Cay mich wie ein professioneller Trainer animierte, verbesserte und meine Möglichkeiten und Fehler auf Anhieb erkannte. Da war er wieder: der alte und gut gelaunte Cay. Es wurde ein wunderschöner Tag. Wie glücklich wir waren!
Am Abend saßen wir im Hotelrestaurant und ließen uns verwöhnen. Cay bat die Kellnerin, uns zu fotografieren. Wir setzten uns am üppig gedeckten Tisch in Pose. Diverse Weingläser, geschmackvolles Geschirr und eine beinahe unübersichtliche Anzahl schweren Bestecks untermalten das besondere Ambiente des Fünfsternehotels und machten unseren Hochzeitstag zu einem unvergesslichen Erlebnis.
Das Alpenpanorama tat ein Übriges, und ich schöpfte wieder Hoffnung auf eine harmonische Zukunft. Vielleicht gehörten unsere Probleme ja auch nur zu den üblichen Nebenwirkungen einer jungen Familie, überlegte ich.
Am nächsten Morgen blieben wir lange in unserem Zimmer und spielten mit Sarah. Immer wieder fotografierten wir unser Engelchen und kuschelten alle miteinander.
Einen ähnlich schönen Tag verbrachten wir ein halbes Jahr später im selben Hotel, als Cay seinen vierzigsten Geburtstag feierte. Für ihn gab es überhaupt keinen Zweifel daran, diesen Tag in seinem geliebten Kitzbühel zu feiern.
Auch im März lag noch Schnee, und der Ort strahlte eine besondere Schönheit aus. Die Winterlandschaft überwältigte uns fast, und ich reservierte sofort nach unserer Ankunft einen Pferdeschlitten. Es sollte eine Geburtstagsüberraschung für Cay sein. Nachdem wir Sarah warm eingepackt hatten, fuhren wir mit einem Kutscher und zwei Pferden durch die Wunderwelt.
»Herzlichen Glückwunsch, mein Schatz!«
Ich schenkte ihm eine Geldklammer, wie er sie sich schon seit Längerem gewünscht hatte. Er fand es toll, wenn Männer ihre Geldklammer aus dem Jackett nahmen und einen Schein aus der Umklammerung lösten. Über dieses Geschenk freute er sich ganz besonders.
Als unsere Kleine am Abend schlief, saßen wir mit dem Babyfon im Restaurant. Zu Cays vierzigstem Geburtstag gönnten wir uns ein erlesenes Menü. Die Kellnerinnen und Kellner trugen Tracht und waren an diesem Abend besonders aufmerksam und zuvorkommend. Als Überraschung servierten sie eine sprühende Eisbombe. Das Funken speiende Gebilde erregte die Aufmerksamkeit des gesamten Restaurants, und einige der anderen Gäste gratulierten dem Geburtstagskind. Cay genoss es, im Mittelpunkt zu stehen, und strahlte jeden an. Die Harmonie zwischen uns fühlte sich echt an, und ich spürte, wie mein Optimismus zurückkehrte.
Cay hatte sich selbst ein Geschenk gemacht: eine Rolex-Uhr. Wir hatten vorab darüber diskutiert, und mir schien diese Luxusuhr eine überteuerte Anschaffung zu sein.
»Können wir uns das alles überhaupt leisten?«, fragte ich ihn, als wir später bei Kerzenschein in unserem Zimmer waren.
»Keine Sorge, zum Jahresende habe ich eine ordentliche Provision bekommen.«
»Aber das kostet doch eine Menge Geld, das Hotel, die Uhr, die teuren Klamotten, das Auto, einfach alles.«
»Vergiss nicht, Kleines, ich bin der Boss! Und ich bin clever. Meistens sind es Schnäppchen, die ich für uns finde.«
Dabei lachte er, und ich fragte mich stirnrunzelnd, ob er unsere Finanzen wirklich im Griff hatte. Ein Fünfsternehotel als Schnäppchen? Eine Rolex? Aber wie sollte ich einem erfolgreichen Versicherungsmakler in finanziellen Dingen misstrauen? Mir selbst fehlte der Überblick, auch wenn Cay mir regelmäßig etwas vorrechnete. Die Zahlenreihen, die er auf ein Blatt Papier schrieb, rechnete ich jedoch nie nach. Vielleicht hätte ich es tun sollen? Doch seine Selbstsicherheit zu Beginn unserer Beziehung hatte in mir nie auch nur einen Funken Zweifel daran geweckt, dass er sein Leben unter Kontrolle hatte. Warum aber fühlte ich mich plötzlich verunsichert?
»Schau mal, Kleines, das ist mein Gehalt für Januar, dann bekomme ich noch eine Provision und ein Honorar für den Vortrag im Dezember. Aus Investitionen fällt auch etwas ab.«
Er sprach von vierzehn Gehältern, und ich dürfe schließlich nicht vergessen, wie
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