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Am Ende zählt nur das Leben

Am Ende zählt nur das Leben

Titel: Am Ende zählt nur das Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja B.
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Sarah fixiert? Lag es an unserer Ehe? Oder hatte er sich in den vergangenen Monaten zu sehr verausgabt mit all dem Sport? Als Cay kaum noch aus diesem Tal herauskam, überlegten wir gemeinsam, ob ein Umzug in die alte Heimat nicht besser für uns wäre.
    »Da können unsere Eltern uns ein wenig entlasten. Dort haben wir einen großen familiären Rückhalt«, sagte ich.
    »Wäre nicht schlecht«, sagte er und gab zu, auch schon mit dem Gedanken gespielt zu haben. Doch eine konkrete Umsetzung dieses Vorhabens blieb aus. Cay behagte die Vorstellung nicht, womöglich in einem kleineren Unternehmen und in einer untergeordneten Stellung zu arbeiten.

Aggressiv
    Sarah war zwei Jahre alt, als wir im Norden waren und mit unserem Trauzeugen Hartmut, seiner Frau Kathi, den zwei Söhnen sowie meiner Schwester mitsamt ihrem Anhang einen Ausflug in den Heidepark nach Soltau machten. Meine älteste Nichte war inzwischen neun Jahre alt und ein aufgewecktes Mädchen. Mein Neffe war sieben und damit im selben Alter wie einer von Hartmuts beiden Söhnen.
    Die Kinder verstanden sich bestens und tobten ununterbrochen herum. Ich verstand mich gut mit Kathi, die genauso wie Nicole zu meinen Stuttgarter Freundinnen gehörte. Wir amüsierten uns, und ich war ohnehin immer wunschlos glücklich, wenn wir alle beisammen waren. Im Park gab es viel zu sehen und zu erleben, der Tag war ausgefüllt mit Karussellfahren, Süßigkeitenvertilgen und Herumalbern. Sarah eiferte den älteren Kindern nach und wollte am liebsten in jedes Fahrgeschäft hinein. Das Angebot konnte ihr nicht bunt, laut und schnell genug sein, aber als Zweijährige durfte sie natürlich nur ins Kinderkarussell. Ins Riesenrad konnten wir alle immerhin gemeinsam hinein. Als wir mit unserer Gondel den höchsten Punkt erreichten, traute ich mich vor Schwindel kaum, die Augen zu öffnen. Unsere Tochter hingegen saß auf dem Schoß ihres Vaters und kreischte vor Vergnügen.
    »Ich halte sie ganz fest, keine Angst«, sagte Cay und ließ sie hinunterschauen.
    Als wir später von einem Karussell zum nächsten bummelten, kreuzte eine Frau mit Kinderwagen unseren Weg. Sie hatte wohl kurz nicht aufgepasst und schob ihren Wagen in Cays Hacken. Ehe ich begriff, was überhaupt los war, rastete mein Mann aus.
    »Was fällt Ihnen ein? Können Sie nicht schauen, wo Sie hinfahren?«, brüllte er sie wütend an.
    »Entschuldigen Sie bitte … äh, das wollte ich doch nicht«, stammelte die Frau.
    »Und Sie glauben, damit ist es getan?«, schrie er weiter auf sie ein.
    »Nun lass sie doch, Cay. Es ist nichts passiert«, sagte ich. Das kleine Missgeschick war kaum der Rede wert. Es war nichts als eine kurze Berührung seines Beins, die längst nicht mehr schmerzte. Aber er hatte sich nicht im Zaum. Mir war die Situation furchtbar peinlich. Cay ballte die Fäuste, und ich befürchtete schon das Schlimmste. Warum war er so wütend? Was war nur los mit ihm?
    »Cay, jetzt bleib doch ruhig«, sagte nun auch Hartmut. Die Kinder blickten erstaunt auf das merkwürdige Spektakel. So hatten sie ihren Onkel noch nie erlebt.
    »Ach, ich verstehe. Ich soll schön ruhig bleiben. Das hättet ihr wohl gerne. Nein, so läuft das nicht. Ich kann doch auch mal sagen, wenn mir etwas nicht passt.«
    Sein Tonfall war vollkommen überzogen. Meine Familie schaute mich fragend an, aber ich war selber baff. Diese Wut und diesen irren Blick kannte ich nicht. Es war beängstigend. Sarah weinte und hielt sich an meinem Bein fest. Cay presste die Kiefer zusammen, bis die Knochen hervortraten.
    Die Fremde machte sich rasch davon, und Cay ging für den Rest des Tages einige Schritte hinter uns, ohne ein weiteres Wort über den Vorfall zu verlieren. Später machte er seltsame Verrenkungen mit seinem Unterkiefer, als würde er sich dadurch entspannen. Ich wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte, und hielt es für besser, die Sache auf sich beruhen zu lassen und als einmaligen Ausrutscher anzusehen.
    Am nächsten Tag lag mein Mann ermattet im Liegestuhl und rührte sich nicht vom Fleck. Sarah spielte in seiner Nähe und weinte plötzlich. Anstatt aufzustehen und nach ihr zu schauen, warf er mir einen vielsagenden Blick zu: Geh du! Ich kann nicht.
    Wie konnte ein sportlich ambitionierter Mensch nur so lethargisch sein? Er war einen Marathon gelaufen, hatte kürzlich drei Sätze Tennis gespielt und lag nun abgemagert und bleich auf einem Liegestuhl, als wäre er ein alter Mann. Dabei war er keine vierzig Jahre alt.
    Manchmal

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