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Am ersten Tag - Roman

Am ersten Tag - Roman

Titel: Am ersten Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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abzubilden. Ein lustiges Puzzle, was?«
    »Es ist doch völlig undenkbar, dass vor vierhundert Millionen Jahren eine Karte vom Himmel angefertigt wurde, Adrian!«
    »Du hast mir doch selbst gesagt, alle Welt hätte noch vor zwanzig Jahren geglaubt, der älteste unserer Vorfahren sei nur drei Millionen Jahre alt. Jetzt stell dir mal einen Augenblick lang vor, wir würden alle fehlenden Fragmente zusammentragen - wie, das weiß ich noch nicht - und könnten beweisen, dass vor vierhundert Millionen Jahren eine Karte vom Sternenhimmel gefertigt wurde, und das mit einer Präzision, die Beobachtungstechniken vermuten lassen, die wir uns nicht einmal heute ausmalen können. Welche Schlüsse würdest du ziehen?«
    Die Vorstellung einer solchen Entdeckung verschlug Keira die Sprache. Ich hätte niemals gedacht, dass der Tod eines alten Mannes sie zwingen würde, ihren Ausgrabungsort zu verlassen, doch ich hatte seit meiner Abreise aus London gehofft, dass ich sie würde überreden können, mir zu folgen.
     
    Bis spät in die Nacht hinein saßen wir schweigend da und blickten hinauf zum Himmel. Wir gönnten uns nur wenige Stunden Schlaf und nahmen im Morgengrauen Abschied. Das gesamte Team kam zusammen, um uns Lebewohl zu sagen. Wie verabredet würde Keira mich zum Flughafen von Addis Abeba fahren und so lange in der Stadt bleiben, bis sich die Gemüter hier beruhigt hätten. Eric würde die Ausgrabungen
in ihrer Abwesenheit leiten, und sie würde regelmäßig anrufen, um zu hören, ob und wann sie zurückkommen könnte.
    Im Laufe der zweitägigen Fahrt stellten wir uns immer wieder Fragen zu dem mysteriösen Anhänger. Was hatte seine Gegenwart in diesem erloschenen Vulkan mitten im Turkana-See zu bedeuten? Hatte ihn jemand absichtlich dort gelassen? Wenn ja, warum und vor allem wann?
    Auch wenn wir nicht darüber gesprochen hatten, wussten wir beide, dass es mindestens ein weiteres Exemplar mit ähnlichen Eigenschaften gab. Fünf Fragmente müssten zusammenkommen, um einen kompletten Sternenhimmel zu bilden. Eine Frage aber ließ uns fortan keine Ruhe: Wo befanden sie sich und wie könnten wir sie finden?
    Noch vor wenigen Monaten, als ich auf der Atacama-Hochebene gelebt hatte, hätte ich mir nicht im Traum vorstellen können, meine Kenntnisse in Astrophysik mit denen einer Paläontologin zu verbinden, um einer so unwahrscheinlichen Entdeckung nachzugehen.
    Am Morgen des zweiten Tages entsann sich Keira plötzlich eines Artikels, den sie vor einigen Jahren in einer Zeitschrift gelesen hatte. Dieser vagen Erinnerung verdanken wir die Reise, die uns erwartete. Beruhte unsere Entscheidung auf dem Instinkt des Wissenschaftlers oder auf einer Vorahnung? Ich kann es nicht sagen. Aber alles begann, als Keira mich fragte, ob ich schon einmal von einem Gegenstand aus dem Bronzezeitalter gehört hätte, der einem Astrolabium ähnelt und in Deutschland entdeckt worden war. Jeder Astronom, der dieser Berufsbezeichnung würdig ist, weiß von der Existenz der Himmelsscheibe von Nebra. Sie wurde Ende des zwanzigsten Jahrhunderts von Grabräubern nahe der Stadt Nebra in Sachsen-Anhalt gefunden. Es ist eine kreisrunde Bronzeplatte, die etwa zwei Kilo wiegt, einen Durchmesser von zweiunddreißig
Zentimetern hat und mit Goldapplikationen versehen ist. Diese stellen eine Mondsichel dar und Punkte, bei denen es sich wohl um Himmelskörper handelt. Der Zustand der Scheibe war so unglaublich, dass die Archäologen zunächst glaubten, es könne sich nur um eine Fälschung handeln. Hochtechnische Untersuchungsmethoden aber ergaben, dass sie ungefähr dreitausendsechshundert Jahre alt ist. Beifunde - Schwerter, Bruchstücke von Schmuck etc. - am selben Ort bestätigten ihre Echtheit. Neben ihrem Alter besitzt die Himmelsscheibe von Nebra noch zwei weitere nicht minder erstaunliche Besonderheiten. Die Punkte auf der Scheibe ähneln den Plejaden, einem Sternhaufen, der zu jener Zeit am europäischen Himmel zu sehen war. Die zweite Besonderheit ist ein Bogen von zweiundachtzig Grad auf der rechten Seite. Zweiundachtzig Grad, das entspricht genau der Abweichung zwischen den Punkten, an denen die Sonne zur Sommer- und zur Wintersonnenwende in Nebra aufging. Was die Funktion der Himmelsscheibe angeht, so gibt es zwei Hypothesen: Sie könnte der Landwirtschaft gedient haben, das heißt, die Sommersonnenwende markierte die Saat, das Erscheinen der Plejaden am Himmel die Ernte. Die Scheibe könnte aber auch ein Werkzeug zur Lehre und Weitergabe

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