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Am ersten Tag - Roman

Am ersten Tag - Roman

Titel: Am ersten Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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astronomischen Wissens gewesen sein. In beiden Fällen jedoch bestätigt sie, dass die Kenntnisse der Astronomen jener Zeit sehr viel fortgeschrittener waren, als bisher angenommen wurde.
    Die Scheibe von Nebra ist die älteste bis heute bekannte Himmelsdarstellung. Zumindest bis der Anhänger, mit dem Keira gedankenverloren spielte, auf einer Insel des Turkana-Sees erschien …
    »Welche Verbindung könnte es zwischen der Himmelsscheibe von Nebra und meinem Anhänger geben?«
    »Ich weiß es auch nicht, aber ich glaube, ein kleiner Abstecher
nach Deutschland würde sich lohnen«, erwiderte ich vergnügt.
    Je näher wir der Hauptstadt kamen, desto mehr verschloss sich Keira. War es die Erwartung, eine große Entdeckung zu machen, die mich alle Müdigkeit vergessen ließ, oder eher die Vorstellung, Keira überreden zu können, mich bei meinen Forschungen zu begleiten? Leider aber schien sie meine Begeisterung nicht zu teilen. Bei jedem Schild, das die Kilometerzahl anzeigte, die uns noch von Addis Abeba trennte, wurde sie nachdenklicher. Hundertmal biss ich mir auf die Zunge, um ihr keine Fragen zu stellen, hundertmal zog ich mich in meine Einsamkeit zurück und begnügte mich damit, schweigend den Wegweisern zu folgen.
     
    Wir stellten den Jeep auf dem Parkplatz am Flughafen ab. Keira folgte mir in die Abfertigungshalle. Am folgenden Tag würde eine Maschine nach Frankfurt fliegen. Ich kaufte zwei Tickets, doch Keira zog mich zur Seite.
    »Ich komme nicht mit, Adrian.«
    Ihr Leben sei hier, sagte sie, und sie sei nicht bereit, darauf zu verzichten. In wenigen Wochen, höchstens einem Monat, wäre im Omo-Tal wieder Ruhe eingekehrt, und sie würde ihre Arbeit erneut aufnehmen.
    Ich redete wie mit Engelszungen auf sie ein, dass die Entdeckung, die wir vielleicht eines Tages gemeinsam machen würden, fantastisch wäre, worauf sie wiederholt entgegnete, es sei meine und nicht ihre. Am Ton ihrer Stimme erkannte ich, dass sie fest entschlossen war und alles Insistieren sinnlos.
    Bis zu meiner Abreise blieb uns ein Abend in Addis Abeba, und ich bat sie, ein Restaurant für uns zu finden, das diesen Namen verdiente und das wir ohne Magenkrämpfe verlassen würden. Es kostete mich enorme Mühe, die Tatsache zu verdrängen,
dass wir ab morgen getrennt sein würden. Aber warum sollte ich uns die letzten gemeinsamen Stunden verderben? Während des ganzen Abendessens und später auf dem Spaziergang zurück zum Hotel widerstand ich tapfer der Versuchung, sie zu beknien und umzustimmen.
    Vor ihrer Zimmertür angelangt, nahm mich Keira in die Arme und legte die Stirn auf meine Schulter. Dann flüsterte sie mir ins Ohr, sie würde ihr Versprechen halten, um das ich sie in London gebeten hätte. Sie küsste mich nicht.
     
    Ich hasse Abschiede am Flughafen. Der Abend war traurig genug gewesen, und so verließ ich frühmorgens das Hotel, nachdem ich einen Zettel unter ihrer Zimmertür hindurchgeschoben hatte. Ich erinnere mich noch, geschrieben zu haben, wie leid es mir tue, ihr solche Probleme bereitet zu haben, und hoffte, sie könne sehr bald zu ihrem Leben zurückkehren, das sie sich so tapfer aufgebaut habe. Ich gestand auch meine egoistische Handlungsweise ein, und nachdem ich mich genügend selbst bezichtigt hatte, vertraute ich ihr an, nicht im Geringsten zu wissen, was mich erwarte, aber jetzt schon eine ungeheuer wichtige Entdeckung gemacht zu haben: nämlich dass mich ihre Gegenwart sehr glücklich mache. Ich hatte nicht den geringsten Zweifel, dass mein Geständnis ungeschickt war - mein Stift hatte mehrfach gezögert, bevor er diese Worte zu Papier brachte, doch was machte es schon, da sie ehrlich waren.
     
    In der Abfertigungshalle drängte sich die Menge. Man hätte meinen können, ganz Afrika wollte an diesem Morgen auf Reisen gehen. Die Schlange zum Schalter meines Fluges wollte nicht enden. Nach langer Wartezeit betrat ich endlich die Maschine und ließ mich gleich in der ersten Reihe nieder. Als sich die Kabinentüren schlossen, fragte ich mich, ob ich nicht besser
nach London zurückgeflogen wäre, um diesem Abenteuer, das am Ende vielleicht nur ein Hirngespinst war, ein Ende zu bereiten. Die Stewardess kündigte an, dass wir etwas Verspätung haben würden, ohne jedoch den Grund zu nennen. Und dann plötzlich sah ich im Hauptgang zwischen anderen Passagieren, die ihr Gepäck verstauten, Keira mit einem Seesack, der mindestens so schwer sein musste wie sie selbst. Sie verhandelte mit meinem Nachbarn, ob sie die

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