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Am ersten Tag - Roman

Am ersten Tag - Roman

Titel: Am ersten Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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Plätze tauschen könnten, und ließ sich schließlich seufzend neben mir nieder.
    »Vierzehn Tage, hörst du«, sagte sie und legte den Sicherheitsgurt an, »in zwei Wochen, egal wo wir sind, setzt du mich in ein Flugzeug nach Addis Abeba. Versprochen?«
    Ich versprach es. Vierzehn Tage, um das Geheimnis hinter ihrem Anhänger zu lüften, zwei Wochen, um zusammenzutragen, was vierhundert Millionen Jahre getrennt gewesen war - ein unmögliches Unterfangen, aber was machte das schon aus. Das Flugzeug beschleunigte auf der Startbahn, Keira saß neben mir. Die Stirn am kleinen runden Fenster gelehnt schloss sie die Augen. Diese vierzehn kommenden Tage waren weit mehr, als ich gestern noch zu hoffen gewagt hatte. Während des achtstündigen Flugs erwähnte sie mit keinem Wort den Brief, den ich unter der Tür ihres Hotelzimmers hindurchgeschoben hatte, später übrigens auch nicht.

Frankfurt
    Dreihundertzwanzig Kilometer trennten uns noch von Nebra. Obwohl wir von der langen Reise völlig erschöpft waren, mietete ich sofort einen Wagen, in der Hoffnung, noch am Nachmittag unser Ziel zu erreichen.
    Weder Keira noch ich hatten uns vorgestellt, dass diese kleine ländliche Stadt so beliebt geworden war. Der Ort, in dessen Nähe die berühmte Himmelsscheibe entdeckt worden war, hatte sich zu einer wahren Touristenattraktion entwickelt. Ein imposanter Aussichtsturm, schief wie der von Pisa, erhob sich mitten in der Ebene. Eine vertikale Linie zu beiden Seiten des Turms markierte die Untergangsrichtung der Sonne zur Sonnenwende. Zu dem Komplex gehörte eine gewagte hochmoderne Konstruktion aus Holz und Glas, eine Art Museum, geformt wie eine Sonnenbarke, die sogenannte Arche Nebra .
    Der Besuch des Zentrums, das der Himmelsscheibe von Nebra gewidmet war, brachte uns nichts Aufregendes. Das Städtchen, wenige Kilometer von dort entfernt, mit seinen gepflasterten Gassen, der Burgruine und den hübschen Fassaden besaß den Vorzug einer gewissen Authentizität, sah man einmal von den Schaufenstern ab, in denen T-Shirts, Geschirr und was nicht alles mit dem Aufdruck der berühmten Scheibe feilgeboten wurden.
    »Vielleicht müsste ich mir mal überlegen, ob ich meine Ausgrabungen nicht in den Asterix-Park verlegen sollte«, meinte Keira.

    In einem Hotel überreichte mir der Gastwirt den Schlüssel zu seinem letzten freien Zimmer. Nachdem ich ihm unsere jeweiligen beruflichen Qualifikationen erläutert hatte, versprach er mir, ein Gespräch mit dem Kurator der Arche Nebra zu organisieren.

Moskau
    Am Lubjanka-Platz treffen zwei fremde Welten aufeinander - auf der einen Seite das riesige Gebäude mit der orangefarbenen Fassade, in dem einst der KGB untergebracht war, auf der anderen der Kinderpalast.
    An diesem Morgen hatte Wassily Yurenko auf sein Frühstück im Café Puschkin verzichten müssen, und das verdarb ihm die Laune. Nachdem er seinen alten Lada am Bordstein geparkt hatte, wartete er auf die Öffnung des Kaufhauses. Im Erdgeschoss drehte ein erleuchtetes Karussell seine ersten Runden des Tages, doch kein Kind war bislang auf eines der Holzpferde geklettert. Wassily mied es, den Handlauf der Rolltreppe anzufassen, der für seinen Geschmack zu schmutzig war. Vor dem Stand mit den russischen Puppen hielt er inne. Der Anblick dieser kleinen ineinander schachtelbaren Figuren amüsierte ihn immer. Seine Schwester hatte in Mädchenjahren eine ganze Sammlung davon gehabt, die heute unbezahlbar wäre. Doch seine Schwester ruhte seit dreißig Jahren auf dem Novodewitschi-Friedhof, und ihre hübsche Sammlung war nur noch eine ferne Erinnerung. Die Verkäuferin schenkte ihm ein breites Lächeln und Einblick in ihren wenig appetitlichen, fast zahnlosen Mund. Yurenko wandte sich angewidert ab. Die Babuschka griff nach einer Puppe in besonders leuchtenden Farben - roter Kopf, gelber Körper -, steckte sie in eine Papiertüte und verlangte von ihrem Kunden tausend Rubel. Yurenko zahlte und ging. Kurz darauf ließ er sich an einem Cafétisch
nieder, kratzte die Farbe der dritten und fünften Puppe ab und kopierte die Ziffern, die darunter zum Vorschein kamen. Er nahm die U-Bahn, stieg an der Station Ploshchad Vosstaniya aus und bog in den Gang, der Richtung Bahnhof führte.
    Er lief zur Gepäckaufbewahrung und wählte das Schließfach mit der Zahl, die er an der dritten Puppe gefunden hatte, gab die Zahlenfolge der fünften Puppe als Code ein und nahm den Umschlag an sich, den er darin fand. Er enthielt ein Flugticket, einen Pass, eine

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