Am ersten Tag - Roman

Titel: Am ersten Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy

Vom Netzwerk:

haben, dann wüsste ich nicht, warum nicht auch deins!«
    Ich kehrte eilig zum Wagen zurück, leerte den dürftigen Inhalt meiner Tasche direkt in den Kofferraum und warf sie dann weit weg, der erstbeste Passant würde sich freuen. Dann setzte ich mich erneut ans Steuer und schleuderte die Wanze aus dem Fenster.
    »Wenn ich Lust habe, dir zu sagen, dass ich deinen Busen mag, dann will ich nicht, dass sich irgendein lüsterner Offizier der chinesischen Stasi daran aufgeilt!«
    Und noch bevor Keira protestieren konnte, fuhr ich weiter.
    »Wolltest du mir überhaupt sagen, dass du meinen Busen magst?«
    »Ganz genau!«
    Die nächsten fünfzig Kilometer legten wir schweigend zurück.

    »Und wenn man mir eines Tages eine oder beide Brüste abnehmen müsste?«
    »Dann würde ich über deinen Bauchnabel fantasieren, ich habe schließlich nicht gesagt, dass ich nur deinen Busen liebe.«
    »Kannst du mir eine Liste von allem machen, was du an mir magst?«
    »Ja, aber nicht jetzt.«
    »Wann dann?«
    »Zum geeigneten Zeitpunkt.«
    »Und wann ist der geeignete Zeitpunkt?«
    »Wenn ich die Liste von allem mache, was ich an dir mag!«
    Es wurde dunkel, und ich spürte, dass ich müde wurde. Der Navigator zeigte an, dass es bis Xi’an noch gut einhundertfünfzig Kilometer waren. Meine Lider wurden schwer, und ich hatte Mühe, die Augen offen zu halten. Keira ging es nicht anders, sie hatte den Kopf an die Scheibe gelehnt und schlief tief und fest. In einer Kurve brach der Wagen aus. Eine Sekunde der Unaufmerksamkeit reichte aus, um unser Leben zu gefährden. Das meiner Beifahrerin aber war mir zu wichtig, als dass ich das Risiko eingehen wollte. Was auch immer wir suchten, es konnte eine Nacht warten. Ich hielt am Rand eines kleinen Weges, der in die Straße einmündete, schaltete den Motor aus und schlief sofort ein.

London
    Der dunkelblaue Jaguar fuhr über die Westminster Bridge, ließ das House of Parliament links liegen und bog nach der HM-Treasury Richtung St. James Park ab. Der Chauffeur hielt an einer Reitallee, der Fahrgast stieg aus und betrat den Park.
    Sir Ashton nahm auf einer Bank in der Nähe des Sees Platz, wo ein Pelikan ausgiebig trank. Ein junger Mann kam auf ihn zu und setzte sich neben ihn.
    »Was gibt es Neues?«, fragte Sir Ashton.
    »Sie haben die erste Nacht in Peking verbracht und befinden sich jetzt einhundertfünfzig Kilometer vor Xi’an, was ihr Ziel zu sein scheint. Als ich das Büro verließ, müssen sie geschlafen haben. Der Wagen hatte sich seit zwei Stunden nicht mehr vom Fleck gerührt.«
    »Es ist jetzt siebzehn Uhr, das heißt zweiundzwanzig Uhr bei ihnen. Das könnte also gut sein. Haben Sie herausgefunden, was sie in Xi’an vorhaben?«
    »Das wissen wir im Moment noch nicht. Sie haben einmal von einer weißen Pyramide gesprochen.«
    »Das würde erklären, warum sie in dieser Provinz sind, aber ich bezweifele, dass sie sie finden werden.«
    »Worum handelt es sich?«
    »Das Hirngespinst eines amerikanischen Piloten. Unsere Satelliten haben besagte Pyramide nie ausmachen können. Haben Sie mir sonst noch etwas zu berichten?«
    »Die Chinesen haben zwei Sender verloren.«

    »Wie verloren?«
    »Sie funktionieren nicht mehr.«
    »Glauben Sie, die beiden haben sie entdeckt?«
    »Das wäre eine Möglichkeit, Sir, aber unser Kontaktmann vor Ort denkt eher an eine Materialpanne. Ich hoffe, bis morgen mehr Informationen zu haben.«
    »Gehen Sie zurück ins Büro?«
    »Ja, Sir.«
    »Schicken Sie PEKING eine Nachricht von mir. Danken Sie ihm und sagen Sie, dass Schweigen noch immer geboten ist. Er weiß dann schon Bescheid. Und leiten Sie alles Nötige in die Wege für den Fall, dass ich überstürzt nach China reisen muss.«
    »Soll ich Ihre Termine für die nächste Woche absagen?«
    »Bloß nicht!«
    Der junge Mann verabschiedete sich von Sir Ashton und entfernte sich über die Allee. Sir Ashton rief seinen Butler an und bat ihn, seinen Koffer vorzubereiten. Er sollte alles Nötige für eine zwei- oder dreitägige Reise einpacken.

Provinz Shaanxi
    Ich zuckte zusammen, als an mein Seitenfenster geklopft wurde und ich im Dunkeln das Gesicht eines alten Mannes mit einem Bündel über der Schulter sah. Er lächelte mir freundlich zu. Ich ließ die Scheibe herunter, der Mann legte die Wange auf seine zusammengelegten Hände, um mir zu bedeuten, dass er einsteigen wolle, um im Auto zu schlafen. Es war kalt, der Mann zitterte, und ich musste an jenen Äthiopier denken, der mich, den Fremden, für eine