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Am ersten Tag - Roman

Am ersten Tag - Roman

Titel: Am ersten Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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Richtung. Die Autobahn war wenig befahren. Um den Zubringer nach Mülhausen zu nehmen, hätte Gerlstein auf die linke Spur wechseln müssen, doch er zog es vor, sich weiter nördlich zu halten. Wenn er den Weg über Deutschland wählte, wäre die Reise zwar länger, aber er könnte nach Frankreich gelangen, ohne seine Papiere vorzeigen zu müssen. PARIS würde nichts von seinem Besuch erfahren.
    Um Mitternacht erreichte er die Außenbezirke von Karlsruhe, eine halbe Stunde später nahm er die Ausfahrt Baden-Baden. Wenn seine Rechnung stimmte, wäre er gegen 2:30 Uhr in Thionville und gegen sechs Uhr früh auf der Ile de la Cité.
    Die Scheinwerfer erhellten die kurvige Straße, der Motor schnurrte und reagierte auf die geringste Bewegung des Gaspedals. Um 1:40 Uhr brach der Wagen leicht nach rechts aus. Gerlstein hatte ihn schnell wieder unter Kontrolle und öffnete
das Fenster weit. Die frische Luft schlug ihm ins Gesicht und vertrieb die Müdigkeit, die auf seinem Nacken lastete. Er beugte sich zum Handschuhfach vor und tastete nach den CDs, die der Tochter seines Kollegen gehörten und ihn bis zu seinem Ziel wachhalten sollten. Doch er hatte nicht mehr das Vergnügen, auch nur das erste Stück zu hören. Der rechte Vorderreifen geriet auf den Randstreifen der Fahrbahn und in ein Schlagloch. Der Wagen kam ins Schleudern, drehte sich um die eigene Achse, prallte kurz darauf von einem Felsen ab und beendete seine Fahrt an einer hundertjährigen Pinie. Der Geschwindigkeitsverlust von fünfundsiebzig Stundenkilometern auf null, der sich innerhalb einer Sekunde vollzog, presste Gerlsteins Gehirnmasse mit einem Druck von drei Tonnen gegen die Schädeldecke, das Herz im Inneren seines Brustkorbs ereilte dasselbe Schicksal, Venen und Arterien platzten auf der Stelle.
    Ein Fernfahrer, der im Scheinwerferlicht das Autowrack entdeckte, informierte gegen fünf Uhr morgens den Notruf. Die Polizei fand Gerlsteins Leiche in einer Blutlache. Der zuständige Beamte brauchte nicht erst die Meinung des Gerichtsmediziners abzuwarten, um den Tod des Fahrers festzustellen, dessen Blässe und Kälte keinen Zweifel zuließen.
    Um zehn Uhr morgens wurde in einer Pressemitteilung der AFP bekannt gegeben, ein Schweizer Diplomat, Verwaltungsratsmitglied der Schweizer Nationalbank, sei in der Nacht bei einem Autounfall in Nordfrankreich ums Leben gekommen. Die Untersuchungen hätten keinen Blutalkohol ergeben, und die vermutliche Ursache des Dramas sei, dass der Fahrer am Steuer eingeschlafen war. Die Meldung wurde kurz auf allen Nachrichten-Websites bekannt gegeben. Ivory erfuhr gegen Mittag davon, als er gerade zum Essen aufbrechen wollte. Außer sich vor Wut änderte er seine Pläne, packte den Inhalt seiner
Schreibtischschublade in seine Aktentasche und ging aus dem Büro, ohne die Tür abzuschließen. Er verließ das Museum und steuerte eine der wenigen Telefonzellen an, die am linken Seineufer noch existierten. Von dort aus rief er sofort Keira an und bat sie, ihn eine Stunde später zu treffen.
    »Sie klingen so merkwürdig, Ivory.«
    »Ich habe gerade einen guten Freund verloren.«
    »Das tut mir aufrichtig leid, aber was hat das mit mir zu tun?«
    »Keine Sorge, nichts. Aber ich fahre in Urlaub, sein Tod führt mir vor Augen, wie prekär das Leben ist. Ich bin es etwas leid, dauernd im Museum zu hocken, womöglich werde ich am Ende noch selbst Teil der Sammlung. Es ist Zeit für mich, diese kleine Reise anzutreten, von der ich schon so lange träume.«
    »Und wohin fahren Sie?«
    »Wollen wir uns über all das bei einer guten Tasse heiße Schokolade unterhalten? Im Teesalon Angelina in der Rue de Rivoli. Wann können Sie dort sein?«
    Keira war gerade unterwegs, um sich mit Max im Hotel Meurice zu treffen, wo sie sich zu einem späten Mittagessen verabredet hatten. Sie sah auf ihre Uhr und sagte dem Professor, sie sei in einer Viertelstunde bei ihm.

    Jeanne nutzte einen ruhigen Augenblick, um eine Idee, die sie beschäftigte, seit sie am Vortag mit Ivory Kaffee getrunken hatte, in die Tat umzusetzen. Schon als Kind hatte Keira ihr gesagt: »Wenn ich groß bin, werde ich Schatzsucherin.« Im Gegensatz zu ihr selbst hatte die kleine Schwester immer gewusst, was sie im Leben tun wollte. Selbst wenn Jeanne es verabscheute, so weit von Keira entfernt zu sein, würde sie alles in
ihrer Macht Stehende tun, um ihr zu helfen, nach Äthiopien zurückzukehren.

    Ivory saß an einem Tisch im hinteren Teil des Teesalons. Er machte Keira ein

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