Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am ersten Tag - Roman

Am ersten Tag - Roman

Titel: Am ersten Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
Vom Netzwerk:
Geschichte erzählt, und wenn ich nicht insistiert hätte, hätten Sie mir geschworen, all das sei Vergangenheit, nicht wahr?«
    »Natürlich! Ich weiß nicht einmal, ob ich sie wiedererkennen würde. Das war vor Jahren, Walter, und besagte Geschichte hat nur zwei Monate gedauert. Wie sollte es da anders sein?«

    »Sicher Adrian, wie? Aber beantworten Sie mir diese kleine Frage: Wie haben Sie mir diese ›unwichtige‹ Begebenheit, die bereits fünfzehn Jahre zurückliegt, erzählen können, ohne ein einziges Mal den Namen der jungen Frau auszusprechen? Seit ich mich Ihnen, was Miss Jenkins betrifft, anvertraut habe, kam ich mir etwas …, wie soll ich sagen, etwas lächerlich vor, jetzt gar nicht mehr!«
    Unsere beiden Nachbarinnen hatten ihren Tisch verlassen, ohne dass wir es bemerkt hatten. Ich erinnere mich, dass Walter und ich an diesem Abend die Letzten in der Brasserie waren, und wir hatten so viel Wein getrunken, dass ich seine Einladung ablehnte und die Rechnung mit ihm teilte.
    Als wir am nächsten Morgen beide mit einem gehörigen Kater in die Akademie kamen, erwartete uns ein Brief, der offiziell ankündigte, dass unsere Bewerbung angenommen worden war. Walter ging es so schlecht, dass er nicht einmal in der Lage war, einen Freudenschrei auszustoßen, der dieses Namens würdig gewesen wäre.

Paris
    Behutsam schob Keira den Schlüssel ins Schloss. Bei der letzten Umdrehung aber verursachte er ein lautes Knacken. Sie machte die Wohnungstür so behutsam wie möglich hinter sich zu und schlich auf Zehenspitzen über den Flur. Das Morgenlicht fiel bereits auf den kleinen Schreibtisch ihrer Schwester. Auf einer Schale lag ein an sie adressierter Brief mit einer englischen Marke. Neugierig öffnete Keira ihn und fand ein Schreiben darin, dem sie entnahm, dass ihre Bewerbung trotz der verspäteten Einreichung vom Auswahlkomitee angenommen worden war. Keira wurde am 28. dieses Monats zur mündlichen Präsentation ihrer Arbeit vor der großen Jury der Walsh-Foundation in London erwartet.
    »Was soll denn das?«, murmelte sie und schob das Papier wieder in den Umschlag.
    Jeanne tauchte im Nachthemd mit zerzaustem Haar, aber strahlenden Augen auf.
    »Wie geht es Max?«
    »Leg dich wieder schlafen, Jeanne, es ist noch sehr früh!«
    »Oder spät, wie man’s nimmt. War der Abend nett?«
    »Nicht wirklich.«
    »Warum hast du dann die Nacht mit ihm verbracht?«
    »Weil mir kalt war.«
    »Ekliger Winter, was?«
    »Gut, das reicht, Jeanne. Ich gehe ins Bett.«
    »Ich habe ein Geschenk für dich.«

    »Ein Geschenk?«, fragte Keira.
    Jeanne reichte ihrer Schwester ein Kuvert.
    »Was ist das?«
    »Mach es auf, dann siehst du’s.«
    In dem Umschlag steckte eine Fahrkarte für den Eurostar nach London und ein Hotelgutschein für zwei Nächte im Regency Inn.
    »Es ist zwar kein Vier-Sterne-Hotel, aber ich war mit Jérôme einmal dort; es ist ganz entzückend.«
    »Hat dieses Geschenk etwas mit dem Umschlag zu tun, den ich im Eingang vorgefunden habe?«
    »Ja, aber ich habe den Aufenthalt um einen Tag verlängert, damit du auch etwas von London hast. Du darfst auf keinen Fall die Ausstellung im Völkerkundemuseum verpassen, die neue Tate Gallery ist großartig, und du musst unbedingt bei Amoul in der Formosa Street brunchen. Mir hat es dort unheimlich gut gefallen, alles schmeckt köstlich, die Salate, das Gebäck, das Zitronenhuhn …«
    »Jeanne, es ist sechs Uhr morgens, um diese Zeit Zitronenhuhn, ich weiß nicht recht …«
    »Wirst du dich irgendwann einfach bedanken, oder muss ich dich zwingen, das Ticket zu essen …«
    »Und wenn du mir nicht erklärst, was es mit dem Brief auf sich hat und was du da ausheckst, zwinge ich dich , das Ticket zu essen!«
    »Mach mir einen Tee und ein Honigbrot, und zwar dalli, in fünf Minuten bin ich in der Küche. Das ist der Befehl einer großen Schwester, die sich jetzt die Zähne putzen geht!«
    Keira hatte den Brief der Walsh-Foundation geholt und gut sichtbar vor die dampfende Teetasse und den Teller mit dem Toast gelegt.
    »Eine von uns beiden muss schließlich an dich glauben!«,
knurrte Jeanne, als sie die Küche betrat. »Ich habe genau das getan, was du hättest tun müssen, wenn du mehr Selbstbewusstsein hättest. Ich habe im Internet recherchiert und eine Liste mit allen Organisationen erstellt, die eventuell deine archäologische Arbeit finanzieren könnten. Ich gebe dir recht, es sind nicht viele. Selbst in Brüssel gibt es keine. Außer vielleicht, wenn du bereit

Weitere Kostenlose Bücher