Am ersten Tag - Roman
Bookshop verließen, bestand Walter darauf, in eine Brasserie zu gehen, in der es seiner Meinung nach die besten Austern von London gab. Ich widersetzte mich nicht, und so saßen wir an einem Tisch in der Nähe von zwei attraktiven jungen Frauen. Im Gegensatz zu mir beachtete Walter sie nicht weiter.
»Seien Sie nicht so vulgär, Adrian!«
»Wie bitte?«
»Glauben Sie, ich merke das nicht? Sie sind so diskret, dass die Bedienungen schon Wetten abschließen!«
»Wetten über was?«
»Über Ihre Chancen, bei den beiden jungen Damen abzublitzen, so ungeschickt wie Sie sich anstellen!«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden, Walter!«
»Und noch dazu ein Heuchler! Haben Sie schon einmal geliebt, Adrian?«
»Das ist eine eher intime Frage.«
»Ich habe Ihnen ja auch ein Geheimnis offenbart, jetzt sind Sie dran.«
Freundschaft entsteht nicht ohne Vertrauensbeweise, dazu gehören auch Geständnisse, und so gestand ich Walter, mich einmal in eine junge Frau verliebt zu haben, mit der ich einen Sommer lang einen Flirt gehabt hatte. Das war vor langer Zeit gewesen - ich hatte gerade erst mein Studium abgeschlossen.
»Und wie kam es zu Ihrer Trennung?«
»Durch sie.«
»Warum?«
»Hören Sie, Walter, warum interessiert Sie das?«
»Ich möchte Sie besser kennenlernen. Sie müssen zugeben,
dass sich eine schöne Beziehung zwischen uns entwickelt, deshalb ist es wichtig, dass ich solche Dinge weiß. Wir werden doch nicht ewig nur über Astrophysik reden und noch weniger über das Wetter. Schließlich haben Sie mich gebeten, nicht so britisch zu sein, stimmt’s?«
»Was wollen Sie wissen?«
»Zum Beispiel den Namen der jungen Dame.«
»Und dann?«
»Warum hat sie Sie verlassen?«
»Ich nehme an, wir waren zu jung.«
»Quatsch! Ich hätte wetten können, dass Sie mir eine so erbärmliche Begründung liefern würden.«
»Aber woher wollen Sie das wissen? Soweit ich mich erinnere, waren Sie nicht dabei!«
»Seien Sie so ehrlich und nennen Sie mir den wahren Grund für Ihre Trennung von …«
»… dieser jungen Frau?«
»Hübscher Vorname!«
»Hübsches Mädchen.«
»Also?«
»Also was, Walter?«, antwortete ich in einem Ton, der meine Gereiztheit nicht verbarg.
»Alles! Wie Sie sich begegnet sind, wie Sie sich getrennt haben und was dazwischen passiert ist.«
»Ihr Vater war Engländer, ihre Mutter Französin. Sie hatte in Paris gelebt, wo sich ihre Eltern nach der Geburt ihrer älteren Schwester niedergelassen hatten. Nach der Scheidung ging ihr Vater zurück nach England. Im Rahmen eines Studentenaustausches hat sie ein Semester an der Royal Academy of London studiert und ihn zugleich besucht. Ich verdiente mir zu dieser Zeit mit Prüfungsaufsichten Geld für meine Diplomarbeit.«
»Ein Aufseher, der eine Studentin verführt … Dazu kann ich Sie nicht beglückwünschen.«
»Gut, dann höre ich sofort auf zu erzählen.«
»Nein, das war nur ein Scherz, Ihre Geschichte ist toll.«
»Wir haben uns zum ersten Mal in dem Hörsaal gesehen, als sie mit etwa dreißig weiteren Kommilitonen eine Klausur schrieb. Sie saß auf dem äußeren Platz der Reihe, und ich lief durch den Gang, als ich plötzlich sah, wie sie einen Spickzettel auseinanderfaltete.«
»Sie hat gemogelt?«
»Ich weiß es nicht, ich habe nie lesen können, was auf dem Papier stand.«
»Haben Sie es ihr nicht weggenommen?«
»Dazu hatte ich keine Zeit.«
»Wie das?«
»Als sie gemerkt hat, dass ich sie erwischt hatte, sah sie mir geradewegs in die Augen, schob das Blatt ohne Eile in den Mund, kaute und schluckte es hinunter.«
»Das glaube ich nicht!«
»Das sollten Sie aber. Ich weiß nicht, was mit mir los war, ich hätte ihr ihre Arbeit abnehmen und sie des Raums verweisen müssen. Stattdessen fing ich an zu lachen und musste schließlich selbst den Hörsaal verlassen. Das ist doch der Gipfel, oder?«
»Und weiter?«
»Wenn sie mich danach in der Bibliothek oder auf dem Gang traf, sah sie mich an und machte sich einfach über mich lustig. Eines Tages habe ich sie beim Arm gefasst und von ihren Freunden weggezogen.«
»Sagen Sie jetzt bloß nicht, dass Sie sich Ihr Schweigen haben bezahlen lassen?«
»Für wen halten Sie mich? Sie hat angefangen zu verhandeln.«
»Wie bitte?«
»Auf meine Frage hat sie mir klar gesagt, dass, wenn ich sie nicht zum Essen einladen würde, würde sie mir nie erzählen, warum sie lachte, sobald sie mich sah. Also habe ich sie eingeladen.«
»Und was war dann?«
»Auf das Mittagessen folgte
Weitere Kostenlose Bücher