Am ersten Tag - Roman
ein Spaziergang, und am späten Nachmittag ist sie ganz plötzlich verschwunden. Ich habe nichts mehr von ihr gehört. Aber als ich eine Woche später in der Bibliothek an meiner Diplomarbeit saß, nahm plötzlich eine junge Frau mir gegenüber Platz. Ich achtete nicht weiter auf sie, bis ihr lautes Kauen mich wirklich zu stören begann. Ich hob den Kopf, um sie zu bitten, etwas weniger mit ihrem Kaugummi zu schmatzen, und sie war es, sie verschlang bereits das dritte Blatt Papier. Ich gestand ihr meine Verwunderung und dass ich nicht geglaubt hätte, sie jemals wiederzusehen. Sie antwortete, wenn ich nicht begriffe, dass sie meinetwegen da sei, könne sie ja gleich wieder gehen, und diesmal für immer.«
»Was für eine wunderbare Frau! Und dann?«
»Wir haben den Abend und einen Teil des Sommers zusammen verbracht. Einen schönen Sommer, wie ich zugeben muss.«
»Und die Trennung?«
»Was würden Sie davon halten, wenn wir uns das für einen anderen Abend aufheben würden, Walter?«
»War das Ihre einzige Liebesgeschichte?«
»Natürlich nicht. Da war noch Tara, die Holländerin, die ihre Abschlussarbeit in Astrophysik schrieb und mit der ich fast ein Jahr gelebt habe. Wir haben uns sehr gut verstanden, aber sie sprach kaum Englisch, und mein Holländisch ließ auch zu wünschen übrig, das heißt, wir hatten große Kommunikationsschwierigkeiten. Dann kam Jane, eine charmante Ärztin, very
scottish und besessen von der Idee, unsere Beziehung zu legalisieren. An dem Tag, als sie mich ihren Eltern vorstellte, blieb mir nichts anderes übrig, als dieses Abenteuer zu beenden. Sarah Apleton arbeitete in einer Bäckerei, hatte einen traumhaften Busen und Hüften, die eines Botticelli würdig gewesen wären, aber unmögliche Arbeitszeiten. Sie stand auf, wenn ich ins Bett ging und umgekehrt. Und zwei Jahre später habe ich meine Kollegin Elizabeth Atkins geheiratet, aber auch das hat nicht funktioniert.«
»Sie waren verheiratet?«
»Ja, genau sechzehn Tage! Meine Exfrau und ich haben uns nach der Hochzeitsreise getrennt.«
»Sie haben sich offenbar vor der Hochzeit keine Zeit gelassen, um festzustellen, ob Sie wirklich füreinander geschaffen waren!«
»Ginge man vor der Eheschließung auf Hochzeitsreise, würde den Gerichten viel unnötiger Papierkram erspart bleiben, das garantiere ich Ihnen.«
Diesmal verschlug es Walter die Sprache, und ihm war jegliche Lust vergangen, mehr über mein Liebesleben zu erfahren. Da gab es im Übrigen auch nicht viel mehr in Erfahrung zu bringen, außer dass mein Beruf inzwischen alles beherrschte und ich die letzten fünfzehn Jahre durch die Welt gereist war, ohne mich irgendwo niederlassen zu wollen, geschweige denn wirklich Bekanntschaften zu schließen. Eine Liebesbeziehung einzugehen, war nicht mein Hauptanliegen.
»Und haben Sie sich nie wiedergetroffen?«
»Doch, ich bin Elizabeth zwei-, dreimal bei Cocktailpartys in der Academy of Sciences begegnet. Meine Exfrau war in Begleitung ihres neuen Ehemannes. Habe ich Ihnen gesagt, dass dieser früher auch mein bester Freund war?«
»Nein, das haben Sie nicht. Aber ich meinte nicht Ihre Ex,
sondern die junge Studentin, die Erste auf Ihrer Liste, die übrigens der eines Casanova würdig wäre.«
»Warum gerade sie?«
»Nur so!«
»Wir haben uns nie wiedergesehen.«
»Adrian, wenn Sie mir sagen, warum sie gegangen ist, übernehme ich die Rechnung!«
Ich bestellte schnell noch ein Dutzend Austern bei dem Kellner, der gerade vorbeikam.
»Am Ende des Austauschsemesters ist sie nach Frankreich zurückgekehrt, um ihr Studium abzuschließen. An der Entfernung gehen oft die schönsten Liebesbeziehungen zugrunde. Einen Monat nach ihrer Abreise kam sie zurück, um ihren Vater zu besuchen. Nach einer insgesamt zehnstündigen Reise mit Bus, Fähre und Zug war sie erschöpft. Unser letzter gemeinsamer Sonntag verlief nicht eben idyllisch. Als ich sie abends zum Bahnhof brachte, gestand sie mir, sie wolle die Beziehung lieber beenden. So würden wir nur die schönsten Erinnerungen behalten. In ihren Augen las ich, dass jeder Versuch, sie umzustimmen, vergebens wäre. Die Flamme war bereits erloschen. Sie hatte sich von mir entfernt, und das nicht nur geographisch. So, Walter, jetzt wissen Sie alles, und ich verstehe wirklich nicht, weswegen Sie so blöd grinsen.«
»Wegen nichts«, antwortete mein Schüler.
»Ich erzähle Ihnen, wie ich verlassen wurde, und Sie grinsen wegen nichts?«
»Nein, Sie haben mir eine wundervolle
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