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Am ersten Tag - Roman

Am ersten Tag - Roman

Titel: Am ersten Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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verfinsterte sich, und sie erzählte mir von einem schrecklichen Sandsturm, der all ihre Mühen zunichtegemacht, ihre ganze Arbeit zerstört hatte, ohne den ich sie aber höchstwahrscheinlich niemals wiedergesehen hätte. Ich fand nie den Mut, ihr zu gestehen, wie glücklich ich über dieses meteorologische Desaster war.
    Als Keira mich fragte, was ich aus meinem Leben gemacht hätte, war ich nicht in der Lage, es ihr zu sagen. Ich beschrieb ihr, so gut ich konnte, die chilenische Landschaft und versuchte - ebenso wie sie es vor der Walsh-Foundation getan hatte - etwas von ihrer Schönheit zu vermitteln. Ich erzählte ihr von den Kollegen, mit denen ich viele Jahre zusammengearbeitet hatte, von ihrer Hilfsbereitschaft, und um zu verhindern, dass sie mir die Frage stellte, warum ich nach London zurückgekehrt sei, schilderte ich ihr ohne Umschweife den dummen Unfall auf dem Hochplateau.
    »Siehst du, wir haben beide nichts zu bedauern«, sagte sie. »Ich grabe in der Erde, und du beobachtest die Sterne. Wir waren also nicht wirklich füreinander geschaffen.«
    »Oder … oder das Gegenteil«, erklärte ich zögernd. »Letzten Endes haben wir beide doch dasselbe Ziel.«
    Es gelang mir, sie zu verblüffen.

    »Du willst die Genesis der Menschheit datieren, und ich suche ferne Galaxien ab, um herauszufinden, wie das Universum entstanden ist, was die Entwicklung von Leben ermöglicht hat, und gehe der Frage nach, ob es solches - egal in welcher Form - auch anderswo gibt. Unsere Vorgehensweisen und unsere Absichten sind gar nicht so weit voneinander entfernt. Und wer weiß, ob sich die Antworten auf unsere Fragen nicht ergänzen?«
    »So kann man es auch sehen. Vielleicht klettere ich eines Tages dank deiner Arbeit an Bord eines Raumschiffs, lande auf einem unbekannten Planeten auf der Suche nach den Gebeinen der ersten grünen Männchen!«
    »Seitdem wir uns kennen, scheint es dir eine diebische Freude zu bereiten, mich auf den Arm zu nehmen.«
    »Das stimmt, doch das ist nun mal meine Natur«, entschuldigte sie sich. »Ich wollte die Bedeutung deiner Arbeit nicht herunterspielen. Und deinen Versuch, um jeden Preis Parallelen zwischen unseren Berufen zu finden, finde ich äußerst charmant, sei mir nicht böse.«
    »Was ich dir jetzt erklären werde, mag dich überraschen, aber die Sterne haben einigen deiner Kollegen bei der Datierung archäologischer Ausgrabungsstätten geholfen. Und wenn du nicht weißt, was man unter ›astronomischer Datierung‹ versteht, schreibe ich dir gerne einen Spickzettel.«
    Keira musterte mich auf sonderbare Weise, und ich konnte ihr ansehen, dass sie etwas ausheckte.
    »Wer sagt dir, dass ich gemogelt habe?«
    »Wie bitte?«
    »Dieser Zettel im Hörsaal damals, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind - wer sagt dir, dass es nicht ein leeres Blatt war? Ist dir niemals in den Sinn gekommen, ich könnte die ganze Nummer eingefädelt haben, um deine Aufmerksamkeit zu erregen?«

    »Du wärest das Risiko eingegangen, des Saales verwiesen zu werden, nur um meine Aufmerksamkeit zu erregen? Und das soll ich dir glauben?«
    »Ich bin gar kein Risiko eingegangen. Ich hatte meine Prüfung am Vortag abgelegt.«
    »Lügnerin!«
    »Ich hatte dich auf den Fluren der Fakultät bemerkt, und du gefielst mir. An besagtem Tag habe ich eine Freundin begleitet, die tatsächlich eine Klausur schreiben musste. Sie hatte schreckliche Angst, und während ich ihr vor der Tür des Hörsaals gut zuredete, sah ich dich mit deiner unwiderstehlichen Aufseher-Visage, in einer Jacke, die viel zu groß für dich war. Ich habe mich in der Reihe, die dir zugeteilt war, auf einen Platz gesetzt, und den Rest kennst du ja.«
    »Und das alles nur, um mich kennenzulernen?«
    »Das wäre schmeichelhaft für dein Ego, was?«, erwiderte Keira und versetzte mir unter dem Tisch einen Fußtritt.
    Ich erinnere mich genau, dass ich wie ein Kind, das beim Naschen erwischt wird, rot geworden bin. Ich fühlte mich eher unbehaglich, doch es kam nicht in Frage, es ihr zu zeigen.
    »Hast du nun gemogelt oder nicht?«, fragte ich.
    »Das verrate ich dir nicht! Beide Szenarien sind möglich, ich lasse dir die Wahl. Entweder du ziehst meinen Anstand in Zweifel und machst aus mir eine echte Aufreißerin, oder du glaubst die Spickzettel-Version, was aus mir eine schreckliche Betrügerin macht. Ich lasse dir den Rest des Abends für deine Entscheidung, doch jetzt erzähl mir von deinen astronomischen Datierungen.«
    Indem er die Entwicklung der

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