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Am Fluss des Schicksals Roman

Titel: Am Fluss des Schicksals Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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fühlen sich bei uns sicher, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte Lizzie, zu Tränen gerührt über sein Verständnis. »Aber«, sie schluckte den Kloß im Hals herunter, »ich habe bei anständigen Leuten nichts verloren. Deshalb werde ich bald wieder gehen.« Lizzie kam sich klein und erbärmlich vor. Joe war ein anständiger Mann, und sie war seiner Gesellschaft nicht würdig.
    »Sie können bleiben, solange Sie wollen«, erwiderte Joe freundlich. In der Dunkelheit konnte er ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen, aber er spürte, dass sie ihm nicht glaubte. »Das ist mein Ernst«, bekräftigte er. »Bleiben Sie an Bord der Marylou, solange Sie möchten.« Er wandte sich wieder um und blickte auf den Fluss. »Sobald wir flussabwärts fahren, brauchen Sie sich nicht weiter in Francescas Kajüte zu verkriechen. Dann können Sie Ihren Aufenthalt an Bord genießen. Der Fluss ist wunderbar. Hier herrscht Frieden.«
    »Wie ... wie war es bei Silas?« Vor Ekel kam Lizzie der Name nur mühsam über die Lippen.
    »Ich dachte, Francesca hätte es Ihnen bereits erzählt.«
    »Schon, aber ich würde gerne Ihre Sichtweise als ihr Vater und als Mann erfahren.«
    Joe war über Lizzies Einfühlungsvermögen verblüfft. Gleich darauf wurde ihm bewusst, dass Lizzie nur allzu gut mit menschlichen Abgründen vertraut war. »Sie haben Recht, meine Sichtweise ist tatsächlich eine andere. Der bloße Gedanke an diesen Kerl macht mich rasend. Ich konnte mich nur mit Mühe beherrschen. Es macht mir beinahe Angst.« Joe legte den Kopf in die Hände.
    »Ich weiß, was Sie meinen«, entgegnete Lizzie. »Ich kennedas nur allzu gut.« Genau das hatte auch sie immer empfunden, wenn Silas sie misshandelt und beschimpft hatte. Einige Male hatte sie all ihre Willenskraft aufbieten müssen, um ihm nicht ein Messer ins Herz zu stechen. »Ich kenne Francesca noch nicht sehr lange, aber sie ist eine ganz besondere, außergewöhnliche junge Frau. Ich bin noch nie jemandem begegnet wie ihr. Sie behandelt mich, als wäre ich ihrer Freundschaft würdig.« Lizzie senkte den Kopf. Die Worte waren ihr ungewollt herausgerutscht. »War ihre Mutter so hübsch wie sie?«
    »Marys Schönheit kam aus dem Innern. Sie war einzigartig, genau wie Francesca.«
    Lizzie erkannte, dass Joe seine verunglückte Frau schrecklich vermisste, und sie konnte nicht verhindern, dass Neid sie überkam, weil ihr noch nie ein Mann solche Gefühle entgegengebracht hatte. Plötzlich trat sie aus dem Schatten und krümmte sich vor Schmerz. Als sie aufstöhnte, fuhr Joe herum. Er sah, dass ihr Oberkörper nach vorn gebeugt war und dass sie die Hand an ihrer Seite hielt.
    »Kommen Sie, setzen Sie sich hierher«, sagte er und erhob sich von seinem Stuhl.
    »Es geht schon ...« Sie war zu gehemmt, um seiner Aufforderung Folge zu leisten.
    »Jetzt kommen Sie schon. Auch ich hatte mal ein paar Rippen gebrochen, deshalb weiß ich, wie schmerzhaft das ist. Und man kann nicht viel dagegen tun, außer sich schonen.«
    Unbeholfen ließ Lizzie sich auf den Stuhl sinken, während Joe einen zweiten für sich heranzog.
    »Ist Ihnen nicht kalt? Möchten Sie vielleicht eine Decke oder ein Kissen?«
    »Es ist gut, danke.« Sie seufzte. »Vielen Dank, Joe.«
    Er tätschelte Lizzies Hand, was ihr unglaublich gut tat, zumal ihr noch nie jemand mit einer solchen Geste Zuneigung vermittelt hatte.
    »Ich kann mich an dem Fluss einfach nicht satt sehen«, sagte sie.
    »Das geht mir genauso«, entgegnete Joe und erzählte Lizzie, welche Veränderungen er als Flusskapitän im Laufe der Jahre erlebt hatte. Er schilderte ihr, wie er damals angefangen hatte und welch unterschiedliche Aufträge er angenommen hatte. Gebannt lauschte Lizzie seinen Worten. Obwohl sie schon seit Jahren in Echuca lebte, wusste sie so gut wie nichts über den Fluss, da sie sich bei Tageslicht selten nach draußen wagte, außer an Nachmittagen, wenn das Geschäft am Vorabend lau gewesen war. Sie wusste es sehr zu schätzen, dass Joe ihr keine persönlichen Fragen über ihr Leben und ihr Umfeld stellte. Nie zuvor hatte Lizzie eine solch friedliche Nacht erlebt, und sie wünschte sich, dass sie nie enden möge. So ist es also, wenn man ein normales Leben führt, dachte sie voller Sehnsucht und Bedauern. Ein normales und glückliches Leben.
    »Nicht zu fassen«, sagte Joe schließlich. »Seit zwei Stunden rede ich jetzt ununterbrochen.« Er hatte es genossen, in der Vergangenheit zu schwelgen und mit Lizzie seine Erinnerungen zu teilen; und den Fragen

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