Am Fluss des Schicksals Roman
schließlich leise.
Sie verstand seine Worte nicht. Immerhin hatte sie ihn im Bordell ein und aus gehen sehen, was nur einen einzigen Schluss zuließ. Mit einem Mal knöpfte Neal sein Hemd auf, und Francescas Blick heftete sich auf seinen nackten Oberkörper. Verwirrt wandte sie den Blick ab.
»Gute Nacht«, verabschiedete sie sich.
»Gute Nacht«, hörte sie ihn erwidern. Sie hatte bereits häufig mit dem Gedanken gespielt, Lizzie über Neals Besuche im Freudenhaus auszufragen, war jedoch bislang davor zurückgeschreckt, weil sie Lizzie nicht an ihre Herkunft erinnern wollte, jetzt, da diese ihre Unbeschwertheit wiedergefunden hatte. Außerdem wollte sie gar nicht wissen, was Neal dort trieb.
Am folgenden Tag machten sie sich in aller Frühe an die Arbeit. Es nahm drei Stunden und zahlreiche Hilfskräfte in Anspruch, um die Marylou mit achtundfünfzig Tonnen Holz zu beladen und den Schleppkahn mit weiteren vierzig Tonnen. Die Transportfahrt stromaufwärts zum Sägewerk von McKay dauerte fast vier Stunden, wo das Entladen mit noch mehr Hilfsarbeitern wiederum zweieinhalb Stunden verstreichen ließ. Die Rückfahrt ohne Fracht stromabwärts ging schneller. Nach einem gut zwölfstündigen Arbeitstag waren alle erschöpft, dennoch warfen Joe, Ned und Lizzie die Angelschnur aus, um dabei zu entspannen. Francesca wusch Hemden. Dabei spähte sie immer wieder zu Neal hinüber und ertappte ihn dabei, dass er sie anstarrte. Sie konnte nicht leugnen, dass sie sich unwiderstehlich von ihm angezogen fühlte, und sein feuriger Blick ließ vermuten, dass diese Anziehungskraft auf Gegenseitigkeit beruhte.
Francesca hatte gerade die Hemden von Joe und Ned in deren Kajüten gebracht, als sie im Gang mit Neal zusammenprallte. Er war auf dem Weg zu seinem Nachtlager am Ufer.
»Oh, tut mir Leid«, sagte sie und schalt sich innerlich für ihr Herzklopfen. Seine Hände stützten ihre Arme. Die Berührung seiner Haut elektrisierte sie und sandte Schauer durch ihren Körper. Plötzlich hatte sie vor Augen, wie es war, in seinen Armen zu liegen und von ihm geküsst zu werden. Die starke, sinnliche Anziehungskraft zwischen ihnen war nicht zu leugnen. Francesca wusste bloß nicht, wie sie damit umgehen sollte.
Neal betrachtete sie mit dem Verlangen, sie zu küssen. Die Spannung zwischen ihnen stieg immer höher wie Wasser in einem Topf, das kurz davor stand, überzukochen. »Gute Nacht«, sagte Neal schließlich und ließ sie widerstrebend los.
»Gute Nacht«, flüsterte sie.
Als Francesca sich schlafen legte, kreisten ihre Gedanken einzig um Neal, der am Ufer lag. Selbst mit geschlossenen Lidern sah sie seine dunklen, feurigen Augen vor sich und spürte noch das brennende Prickeln seiner Berührung auf der Haut. Sie musste an seine Küsse denken, die sie zum Beben gebracht hatten, durch und durch. Im nächsten Augenblick vernahm sie das Lachen von Lizzie und Joe. Es freute sie, dass die beiden sich so gut verstanden und in der Gesellschaft des anderen förmlich aufblühten. Ned ging immer früh schlafen, während Joe es liebte, sich nachts an die Reling zu setzen und die Stille auf dem Fluss zu genießen. Und Lizzie war ohnehin ans Nachtleben gewöhnt.
Der darauf folgende Tag verlief wie der Tag zuvor, nur dass Francesca Neals Gegenwart auf dem Schleppkahn stärker bewusst war. Während er mit der Stange den Schleppkahn steuerte, beobachtete sie das Muskelspiel unter seinem Hemd und bewunderte seine Kraft und sein Geschick. ZurMittagszeit machten sie Rast, und Francesca wurde jedes Mal nervös, wenn er sich ihr näherte. Als sie ihm seine Mahlzeit reichte, streiften sich ihre Hände, und sie zuckte zurück.
Nach dem Abendessen machte Francesca alleine einen Spaziergang ein Stück den Fluss entlang. Auf dem Rückweg sah sie, dass Neal neben seinem Schlafplatz am Ufer ein Feuer gemacht hatte. Er lag auf dem Rücken, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, und betrachtete die Sterne, die mit der einsetzenden Dunkelheit am Himmel zu leuchten begannen.
Francesca stellte sich hinter ihn und sah auf ihn hinunter. »Du legst dich heute Abend aber früh schlafen«, sagte sie.
»Es war ein anstrengender Tag«, entgegnete er.
Sie wusste, wie hart er gearbeitet hatte. »Dann lass ich dich jetzt schlafen«, sagte sie und wollte weitergehen.
»Du kannst doch noch kurz bleiben, oder?«, sagte Neal, der sich mit einem Ellbogen aufstützte und einladend auf die Decke neben ihm klopfte.
Francesca zögerte. Ihr war klar, dass sie im Moment noch
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