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Am Fluss des Schicksals Roman

Titel: Am Fluss des Schicksals Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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einem Stuhl saß. Ned lag bereits in seiner Koje. Obwohl Joe – wie die anderen auch – sich erschöpft und ausgelaugt fühlte, fand er keinen Schlaf. Er döste lediglich vor sich hin.
    Joe hatte Lizzie erzählt, dass Silas spurlos verschwunden war. Sie hoffte, dass er nie wieder zurückkam, weil sie sich zum ersten Mal seit vielen Jahren frei fühlte.
    »Wie geht es meinem Mädchen?«, fragte Joe.
    Lizzie schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, ich könnte ihr helfen, aber ich bin mit meinem Latein am Ende«, antwortete sie. »Ich weiß nicht, was ich noch zu ihr sagen soll.«
    »Das weiß keiner von uns, Elizabeth.« Joe stützte den Kopf in die Hände. »Ich komme mir so nutzlos vor. Schließlich bin ich ihr Vater, aber es gelingt mir einfach nicht, ihren Schmerz zu lindern.«
    Lizzie verstand seine Enttäuschung. Joe wollte seine Tochter beschützen, doch in einer Situation wie dieser hätte kein Mensch auf der Welt ihr helfen können.
    »Wenn Silas mir jetzt unter die Augen käme, würde ichihm den Hals umdrehen!«, stieß Joe hervor. »Das wäre mir eine große Genugtuung ... aber leider würde es Neal nicht zurückbringen. Er war ein anständiger Kerl. Er hätte mit Francesca Kinder haben können. Die beiden hatten das ganze Leben noch vor sich ...«
    Lizzie trat näher an Joe heran und stellte sich neben ihn. Sie verspürte den unbändigen Wunsch, ihn zu trösten, wusste aber nicht, wie sie es anstellen sollte. Es war ihr fremd, Mitgefühl zu zeigen, doch Joe war so bedrückt, dass es Lizzie schier das Herz zerriss.
    Sie streckte die Hand aus und strich ihm zögernd übers Haar. Seine Reaktion verblüffte sie. Er wandte sich ihr zu, nahm sie in die Arme und lehnte den Kopf an ihren Leib. Lizzie blickte auf ihn hinunter und spürte, wie er schluchzte. Sie strich ihm sanft über den Rücken, um seinen Kummer zu besänftigen. Es war vollkommen ungewohnt für sie, dass sie von einem Mann ohne sexuelle Absichten umarmt wurde. Ungewohnt und wundervoll zugleich.
    Nach ein paar Minuten gewann Joe seine Fassung zurück. »Sie ahnen nicht, wie froh ich bin, dass Sie da sind, Elizabeth«, sagte er.
    Lizzie war gerührt. Noch nie hatte ihr jemand das Gefühl gegeben, gebraucht zu werden. »Ich habe doch gar nichts getan«, erwiderte sie und senkte den Kopf.
    »Sie wissen gar nicht, was für ein besonderer Mensch Sie sind, nicht wahr?«, sagte Joe.
    Lizzie wusste nichts darauf zu erwidern. Am liebsten hätte sie entgegnet, dass nicht sie, sondern Joe ein ganz besonderer Mensch sei und dass sie noch nie jemandem wie ihm begegnet sei, doch die Worte kamen ihr nicht über die Lippen.
    »In Zeiten wie diesen wird uns erst wieder bewusst, wie kostbar unser Leben ist. Ich habe viele Jahre mit Frannie verloren, weil ich sie aufs Internat geschickt habe. Ich wollte, ich hätte es nicht getan.«
    Lizzie wusste, dass Mary unerwartet aus dem Leben gerissen worden war, und Neals Tod hielt Joe wahrscheinlich erneut vor Augen, wie schnell man einen geliebten Menschen verlieren konnte. »Vor Ihnen liegen noch viele gemeinsame Jahre mit Francesca, Joe. Sie dürfen sich keine Vorwürfe machen.«
    »Was ist mit Ihnen, Elizabeth?«
    »Mit mir?«
    »Sie bleiben doch bei uns, oder?«
    Lizzies Herz klopfte schneller. »Ja ... wenn ich erwünscht bin.«
    Joe nickte, wirkte aber zu erschöpft, um einen klaren Gedanken zu fassen.
    »Legen Sie sich hin, Joe«, sagte Lizzie, die erkannte, dass sie seine Worte unter diesen Umständen nicht zu ernst nehmen durfte. »Wenn Sie nicht schlafen können, ruhen Sie sich wenigstens aus. Sie müssen sich erholen.«
    Nachdem Joe sich kurz darauf zurückgezogen hatte, schlich Lizzie heimlich vom Schiff und machte sich auf den Weg zum Freudenhaus. Solange Silas verschwunden blieb, fühlte sie sich auf den Straßen sicher. Bestimmt konnten die anderen Mädchen ihr sagen, was die Zeitungen berichtet hatten. Zwar konnte nur Maggie lesen, doch Maggie wusste bestimmt nicht, wie sie es Gwendolyn beibringen sollte, und wäre froh über Lizzies Unterstützung. Das war das Mindeste, das sie für Neal tun konnte.
    Überrascht stellte Lizzie fest, dass die Eingangstür verschlossen war, sodass sie anklopfen musste.
    »Verschwinde. Wir haben geschlossen«, hörte sie Maggies laute Stimme.
    »Ich bin es, Lizzie«, rief sie zurück.
    Kaum hatte Maggie die Tür geöffnet, packte sie Lizzie am Kragen und zerrte sie ins Haus, um gleich darauf die Tür zuzuknallen. »Willst du, dass Silas dich erwischt?«, sagte sie.
    »Schon

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