Am Fluss des Schicksals Roman
streunenden Köter mehr Aufmerksamkeit gewidmet hätten. »In meinem Leben bin ich selten freundlichen Menschen begegnet. Ich werde Ihnen nie vergessen, dass Sie mir zu Hilfe gekommen sind.«
»Seien Sie in Zukunft bitte vorsichtig, Lizzie, und gehen Sie dem Kerl aus dem Weg, der Sie verprügelt hat.«
Lizzies Gesichtszüge erschlafften, und ihr Blick wurde leer. »Ich kann ihm nicht aus dem Weg gehen, Francesca.«
5
W o ist heute Morgen denn unser hoch geschätzter Kahnführer?«, fragte Francesca, als sie die Vorbereitungen trafen, nach Barmah abzulegen. Es war frisch und windig. Während die Sonne versuchte, hinter den Wolken hervorzubrechen, nahm die dunkle Wasseroberfläche des Flusses allmählich eine grüne Farbe an, und der Wind klatschte die Wellen gegen die Flanke des schaukelnden Schiffes.
»Keine Ahnung, wo Neal steckt«, entgegnete Joe, der gerade den Kaffeesatz aus seiner Tasse über Bord kippte. »Gestern Abend ist er nicht zurückgekehrt.«
Zum ersten Mal zog Francesca die Möglichkeit in Betracht, dass Neal ein Missgeschick zugestoßen sein könnte. »Meinst du, ihm ist etwas passiert?« Sie hatte mitbekommen, wie die Männer sich darüber unterhalten hatten, dass es unter den betrunkenen Hafenarbeitern häufig zu Straßenschlägereien kam, besonders freitagabends, wenn sie ihren Lohn ausbezahlt bekamen.
Ned überhörte Francescas Frage. »Gestern Abend gegen sieben Uhr habe ich ihn noch gesehen«, rief er laut von unten hoch, wo er den Kessel anheizte, den er bereits bei Tagesanbruch angefeuert hatte, um Dampfdruck aufzubauen.
Francesca fiel ein, dass Ned das nächstgelegene Hotel aufgesucht hatte, um eine Flasche Rum zu besorgen, die er und Joe sich hatten teilen wollen. Es hatte sie nicht gestört, zumal die beiden hart gearbeitet und zudem Grund zum Feiernhatten, nachdem sie einem Teil von Silas’ Zahlungsforderungen nachgekommen waren.
»Da hatte er gerade alle Hände voll zu tun«, fügte Ned mit einem Augenzwinkern zu Joe hinzu, der sich auf dem Treppengeländer abstützte.
Francesca verstand die Anspielung und zog die Stirn in Falten. »Du willst damit wohl sagen, dass er in Begleitung einer Frau war?«
»Nicht eine Frau, gleich zwei. Eine in jedem Arm«, meinte Ned süffisant. Er hatte die beiden erkannt – zwei stadtbekannte Flittchen, die sich in der Nähe der Hotels herumtrieben, um sich mit Männern zu amüsieren, die etwas Kleingeld in der Tasche hatten. Ned war ein wenig verwundert gewesen, Neal in solch zwielichtiger Gesellschaft zu sehen, aber zu dem Zeitpunkt war Neal schon ziemlich betrunken gewesen.
»Es hat keinen Sinn, Zeit zu verschwenden und auf diesen Kerl zu warten«, sagte Francesca schroff, wobei sie sich über sich selbst ärgerte, dass sie sich um sein Wohlergehen gesorgt hatte.
»Wenn er in den nächsten Minuten nicht auftaucht, legen wir ohne ihn ab«, sagte Joe. »Eine Fuhre Holz ist besser als nichts. Außerdem wartet Ezra Pickering darauf, und ich will ihn nicht im Stich lassen.«
»Dann lass uns keine weitere Zeit verschwenden und sofort losmachen«, entgegnete Fran, die es nicht abwarten konnte, abzulegen und jeden Gedanken an Neal Mason zurückzulassen.
»Du hast mir gar nicht erzählt, wie der Abend mit Montgomery Radcliffe war«, sagte Joe etwas später während der Fahrt zu Francesca.
»Es war ein sehr schöner Abend, und er hat mich um ein Wiedersehen gebeten.« Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.
Joe runzelte die Stirn. »Hältst du das für klug?«
»Ich weiß gar nicht, worüber du dir Sorgen machst, Dad«, erwiderte Francesca.
Doch Joe konnte nicht darüber hinwegsehen, dass Montgomery sich normalerweise in völlig anderen gesellschaftlichen Kreisen bewegte. »Sei vorsichtig, mein Mädchen. Ich will nicht mit ansehen, wie man dir das Herz bricht.«
»Ich könnte deine Bedenken ja verstehen, wenn ich mit jemandem wie Neal Mason ausgehen würde, Dad, aber Monty ist der perfekte Gentleman.«
»Jeder Mann würde sich glücklich schätzen, einer Frau wie dir zu begegnen, die seine Liebe erwidert, Fran, aber die Mitglieder der besseren Gesellschaft heiraten aus anderen Gründen. Sie verplanen ihr Leben, ohne auf ihr Herz zu hören, genauso wie bei ihren geschäftlichen Unternehmungen. Ich bin mir sicher, dass Montgomery Radcliffe dich für bezaubernd hält, aber ich bin mir ebenso sicher, dass Regina und Frederick bereits eine zukünftige Frau für ihn ausgesucht haben.«
»Ich bezweifle, dass Monty sich von seinen Eltern zu einer
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