Am Fluss des Schicksals Roman
hat sich als glückliche Fügung des Schicksals erwiesen«, fügte sie hinzu.
Weil du Gelegenheit hattest, die Bekanntschaft meines Sohnes zu schließen, dachte Regina zynisch, die Francescas Bemerkung völlig missverstand.
»Vor vielen Jahren hat mein Vater sich eine schwere Verletzung am Arm zugezogen«, fuhr Francesca fort, über deren Gesicht bei der Erinnerung ein trauriger Ausdruck huschte. »Seitdem ist sein Arm fast steif, sodass er das Ruder der Marylou nicht mehr betätigen kann. Deshalb will ich das Kapitänspatent erwerben.«
Eine Frau als Schiffskapitän? Regina war bestürzt.
»Die Arbeit auf der Marylou verschafft mir die Gelegenheit, viel Zeit mit meinem Vater und unserem Maschinisten Ned zu verbringen. Ich habe die beiden während meiner Abwesenheit sehr vermisst.«
»Das Kapitänspatent zu machen ist eine gewaltige Aufgabe«, bemerkte Frederick respektvoll.
»Das stimmt, aber es ist kein Vergleich mit der Aufsicht über eine Viehfarm wie diese hier. Allein die Buchführung dürfte riesige Anforderungen stellen.«
»Es gibt nicht viele Frauen, die diese Aufgabe gern verrichten«, entgegnete Frederick. »Regina bildet eine Ausnahme – und Sie offenbar auch.«
Francesca lächelte. »Ja, ich arbeite gern mit Zahlen.«
Das galt auch für Regina, solange sie zurückdenken konnte, schon in der Schule. Sie erkannte, dass Francesca offensichtlich klug war und obendrein Mut hatte, wenn sie es mit Männern aufnahm, um in der Schifffahrtsbranche zu bestehen. Regina musste sich widerwillig eingestehen, dass sie insgeheim Bewunderung für diese junge Frau verspürte. Trotzdem sagte sie: »Ich finde, jeder sollte sich um seine eigene Buchführung kümmern.«
»Das sagst du nur, weil man dir von Buchhaltern erzählthat, die ihre Arbeitgeber ausgenommen haben«, warf Frederick lachend ein.
»Oh, so etwas kommt sicher vor«, sagte Francesca. »Aber ich nehme an, dass es Ihnen große Zufriedenheit bereitet, sich selbst um die Buchführung zu kümmern, Mrs Radcliffe ...?«
Regina nickte. Am Ende eines jeden Monats, wenn sie die Buchführung abgeschlossen hatte, verspürte sie tatsächlich große Befriedigung, aber sie hätte nie damit gerechnet, das jemand anders das nachvollziehen könnte.
»Ich muss Sie bewundern«, sagte Francesca.
Regina zuckte zusammen. Ihr Misstrauen war geweckt. »Wie das?«
»Sie sind nicht nur Mutter und Ehefrau, sondern viel mehr. Die meisten Frauen geben sich mit ihrer Rolle zufrieden, woran auch nichts verkehrt ist; dennoch bin ich überzeugt, dass wir Frauen das Potenzial haben, im Leben weitaus mehr zu erreichen. Schließlich hat Gott uns einen scharfen Verstand gegeben, von dem wir auch Gebrauch machen sollten.«
»Ich mag Frauen mit Ambitionen«, bemerkte Monty. »Frauen, die sich nicht scheuen, ihren Verstand zu benutzen. Francesca hat große Ähnlichkeit mit dir, Mutter.«
Francesca vernahm das Kompliment mit Überraschung, doch Regina hatte immer noch Vorbehalte ihr gegenüber und wollte die Gelegenheit nutzen, Francesca auf den Zahn zu fühlen.
»Mir ist aufgefallen, dass Sie ständig mein Amulett betrachten«, sagte sie.
In der Tat fesselte der Anhänger Francescas Aufmerksamkeit. Es handelte sich um einen großen grünen Edelstein in filigraner Goldeinfassung, der an einer schweren Goldkette hing.
»Ja, es fasziniert mich«, räumte Francesca ein.
»Es ist ein Familienerbstück. Ursprünglich hat es Fredericks Großmutter gehört. Es befindet sich schon seit vielenJahren im Besitz der Familie.« Regina beobachtete Francesca genau. Sie wollte sehen, ob ihre Augen bei dem Wort »Familienerbstück« aufglommen. »Gefällt es Ihnen?«
»Es ist sehr ungewöhnlich gearbeitet.« In Wahrheit fand Francesca es zu protzig. »Ihnen steht es wunderbar, aber ich könnte so etwas nie tragen. Leider habe ich einen sehr einfachen Geschmack, was Juwelen betrifft. Ich besitze lediglich ein paar Schmuckstücke, die meine Mutter mir hinterlassen hat und die eher von ideellem Wert sind.« Sie hob die feine Goldkette um ihren Hals an, die ein schlichtes goldenes Kreuz zierte. »Diese Kette trage ich stets, weil sie meiner Mutter gehört hat. Ich habe auch noch ihren Trauring, aber der ist mir zu groß. Außer einer Armbanduhr, die meiner Großmutter gehört hat, besitze ich keinen weiteren Schmuck. Aber das genügt mir vollauf.«
»Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann du das Amulett das letzte Mal getragen hast, Regina«, sagte Frederick stirnrunzelnd. »Weshalb hast du
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