Am Fluss des Schicksals Roman
Rieseneisvögel auf den Ästen hören.
»Die Aussicht ist atemberaubend«, sagte sie. Während siegemeinsam das Panorama bewunderten, bemerkte keiner der beiden, dass die Eingangstür sich geöffnet hatte.
»Das finden wir auch«, sagte eine Stimme.
Francesca und Monty wandten sich überrascht um. In der offenen Tür saß ein Mann in einem Rollstuhl, ein strahlendes Lächeln im Gesicht. Er hatte dieselben gütigen braunen Augen wie Monty und trug ebenfalls einen Schnurrbart, obwohl seiner bereits grau war. Doch es fiel Francesca nicht schwer, sich vorzustellen, wie attraktiv und stattlich dieser Mann einmal gewesen sein musste.
»Wir können von dem Ausblick niemals genug bekommen. Willkommen auf Derby Downs«, begrüßte der Mann sie herzlich.
»Danke, Sir«, erwiderte Francesca.
»Vater, ich möchte dir Francesca Callaghan vorstellen«, sagte Monty und führte sie die Stufen zu der Veranda hinauf.
»Ich bin beeindruckt.«
»Ich freue mich sehr, Sie kennen zu lernen, Mr Radcliffe«, sagte Francesca und ergriff seine ausgestreckte Hand.
»Nennen Sie mich bitte Frederick«, entgegnete dieser, während er ihre Hand umfasst hielt. »Alle meine Freunde nennen mich so, und ich hoffe, wir werden Sie hier auf Derby Downs in Zukunft häufig zu sehen bekommen.«
»Danke, Frederick, das hoffe ich ebenfalls«, sagte Francesca. Ihr erster Eindruck von Frederick Radcliffe war der eines liebenswürdigen, gebildeten und klugen Mannes, der Gesellschaft liebte, egal ob die von Frauen oder Männern. Francesca hatte keine Mühe, sich ihn im Kreis der Familie als auch im Kreis der Schafscherer und Viehtreiber vorzustellen, trotz seiner Behinderung. Was das betraf, hatte er ihr sofort jegliche Befangenheit genommen, was sie sehr zu schätzen wusste.
»Wie ich sehe, hat Monty nicht übertrieben«, sagte Frederick. »Sie sind wirklich eine Augenweide.«
Francesca schaute zu Monty und errötete.
»Ich habe nur die Wahrheit gesagt«, rechtfertigte der sich mit einem Lächeln.
»Jetzt ist mir auch klar, warum er keine Zeit verschwendet hat, Sie uns vorzustellen«, fuhr Frederick fort. »Aber bitte, treten Sie ein.«
»Danke.«
Frederick setzte in dem weiten Hauseingang ein Stück zurück und vollführte eine halbe Drehung auf den grünen und weißen Bodenfliesen in der Eingangshalle. Er ließ Monty und Francesca vorangehen und folgte ihnen durch die Eingangshalle zu einer offen stehenden Doppeltür, die in einen großen Salon führte.
Wie Francesca erwartet hatte, waren die Räume riesig und luxuriös eingerichtet mit Polstersesseln und Chaiselongues, Zimmerpalmen, antiken Vasen und Lampen. Die Gemälde an den Wänden stellten überwiegend Landschaftsszenen dar, darunter auch den Fluss, dazwischen fanden sich Porträts von herrschaftlichen Anwesen mit blühenden Gärten und Pferden auf der Weide. Francesca wagte nicht zu sprechen aus Angst, ihre Stimme könnte in den gewölbeartigen Sälen widerhallen.
»Wo ist Mutter?«, fragte Monty seinen Vater.
»Sie wird gleich herunterkommen«, entgegnete Frederick. »Bitte, Francesca, machen Sie es sich bequem.« Er sah zu Monty hoch. »Bestimmt seid ihr beide nach der langen Fahrt am Verdursten. Ich werde nach Mabel klingeln, dass sie uns den Tee serviert. Wir können ihn gern auf der Veranda einnehmen, wenn Sie möchten«, wandte er sich lächelnd an Francesca. »Es ist ja ein herrlicher Nachmittag.«
»Das wäre schön«, erwiderte Francesca, die an die wundervolle Aussicht denken musste.
»Tut mir Leid. Mabel hat die Anweisung, im Salon aufzudecken«, sagte plötzlich eine weibliche Stimme, die keinen Widerspruch duldete.
Alle drei wandten sich zur Eingangshalle, wo soeben eine Frau die glänzende Treppe aus Eichenholz herabstieg.
Ohne dass Francesca den Grund wusste, schlug ihr das Herz plötzlich bis zum Hals.
Regina Radcliffe hatte dunkles, streng frisiertes Haar, und ihre Augen waren blau wie der Sommerhimmel. Sie war eine sehr attraktive Frau, die Kultiviertheit ausstrahlte.
Als Regina durch die Eingangshalle schritt, ohne ein Lächeln und ohne ein Wort, war ihr Blick auf Francesca geheftet, die das Bedürfnis verspürte, sich zu erheben und einen Knicks zu machen.
»Mutter, das ist Francesca Callaghan«, stellte Monty sie vor.
Der Unterton in seiner Stimme verstärkte Francescas Nervosität. Sie schickte sich an, sich zu erheben, doch Regina ließ sie innehalten, indem sie eine Hand hob, die von goldenen Ringen geziert wurde. »Bleiben Sie bitte sitzen, meine
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