Am Fluss des Schicksals Roman
darauf wurde die Tür geöffnet, und Neal Mason steckte den Kopf ins Ruderhaus. »Joe, falls du dir noch einen Tee genehmigen willst, kann ich ja so lange hier oben bleiben und ein Auge auf Francesca haben«, sagte er. Er hatte den Eindruck, Joe könnte einen Tee vertragen, denn der war in mieser Verfassung aufs Schiff zurückgekehrt und hatte nichts davon erzählt, was zwischen ihm und Silas Hepburn vorgefallen war.
Joe wunderte sich über Neals Vorschlag, da er ihm genauso gut den Tee hätte hochbringen können, und wollte ihn gerade darauf ansprechen, als er bemerkte, dass Francesca sich offenkundig über Neals Gesellschaft freute. »In Ordnung«, sagte er, noch immer verwundert, und stieg die Treppe hinunter.
Nachdem Joe gegangen war, blickte Neal Francesca lächelnd an. Obwohl sie hinter dem riesigen Steuerrad sehr zierlich wirkte, bemerkte er, dass sie das Ruder mit viel Selbstvertrauen betätigte.
»Gut geschlafen?«, meinte er.
»Ja. Du auch?« Das vertrauliche Du kam ihr wie von selbst über die Lippen.
Er grinste. »Nicht besonders.«
In Wahrheit hatte Francesca ebenfalls kaum ein Auge zubekommen. »Warum nicht?«
»Weil ich die ganze Zeit an dich denken musste.«
Francesca errötete. »Soll ich mich jetzt entschuldigen, dass ich dir den Schlaf geraubt habe?«
Neals Lächeln wurde breiter. »Du kannst ja nichts dafür, dass du so bezaubernd bist«, entgegnete er, wobei er sich hinter sie stellte und die Hände um ihre Taille legte.
»Benehmen Sie sich gefälligst, Mr Mason«, neckte Francesca ihn lächelnd.
»Während du dich auf den Fluss konzentrierst, werde ich dir meine ganze Aufmerksamkeit widmen.«
Francesca schob seine Hände weg. »Wenn mein Vater dich erwischt, wird er dich in Stücke hacken und an die Fische verfüttern«, sagte sie lachend.
»Oh«, sagte Neal. »Ich liebe die Gefahr.«
In diesem Augenblick vernahmen sie Joes taktvolles Räuspern, bevor dieser wieder die Treppe hinaufkam.
»Ich glaube, heute Nacht ist Vollmond«, flüsterte Neal Francesca ins Ohr, wandte sich von ihr ab und sah mit unschuldigem Blick hinaus aufs Wasser.
Francesca, die die Anspielung verstanden hatte, lächelte erwartungsvoll.
»Nehmen wir bei der nächsten Tour zu O’Shaunnesseys Werft den Schleppkahn mit, Joe?«, fragte Neal, als er das Ruderhaus betrat.
Joe ahnte, dass er abgelenkt werden sollte. »Hängt ganz davon ab, wie viel Holz er braucht«, gab er zur Antwort und blickte zu Francesca. »Wie schlägt sich denn mein Mädchen?«
Neal wünschte sich, Joe wäre länger fortgeblieben. »Duhast sie hervorragend eingearbeitet, Joe«, erwiderte er, bevor er die Treppe hinunterstieg.
Als sie bald darauf eine Stelle auf dem Murray passierten, die The Narrows genannt wurde, flankiert vom Moira Lake auf der einen Seite und dem Barmah Lake auf der anderen, nahm die Strömung zu. Auf diesem Flussabschnitt waren die Ufer flach; Joe erzählte Francesca, dass der Fluss bei Flut die Eukalyptusbäume unter Wasser setzte, manchmal über Meilen hinweg, so weit das Auge reichte.
»Du scheinst mit den Gedanken ganz woanders zu sein«, sagte er dann, denn Francesca schien nur mit halbem Ohr zuzuhören.
»Nein«, widersprach sie. »Ich habe alles gehört, was du gesagt hast.«
Joe nickte. »Na gut. Dann halt dich backbord. Rechts lauert ein Baum unter Wasser.«
Dolan O’Shaunnessey war froh über Joes Erscheinen. Joe war vom gleichen Schlag wie er selbst, und sie wurden sich rasch einig, was die geschäftlichen Dinge betraf. Dolan teilte Joe mit, dass er mehrere Aufträge für neue Schiffe habe; im Gegensatz zu Ezra baute er überwiegend kleinere Fischerboote und Lastkähne.
»Für die nächsten paar Wochen steht mir ein Schleppkahn zur Verfügung«, sagte Joe.
»Das sagte Ezra schon, aber wir werden darauf verzichten können, wenn du mir einmal täglich eine volle Fuhre Holz lieferst.«
»Das dürfte kein Problem sein«, entgegnete Joe.
»Mich wundert nur, dass Ezra dich nicht selbst anheuert. Zurzeit hat er nämlich mehr Aufträge, als er bewältigen kann. Trotzdem, ich will mich nicht beklagen. Kannst du sofort anfangen?«
Sollte Joe letzte Zweifel gehabt haben, dass Silas gegen ihnarbeitete, waren diese jetzt verflogen. Dennoch kränkte es ihn, dass Ezra ihn belogen hatte. Die einzige Erklärung, die Joe dafür fand, war, dass Silas irgendetwas gegen Ezra in der Hand haben musste.
»Ja«, sagte er. »Wir legen sofort Richtung Moira ab.«
Während der folgenden Tage lieferte die Marylou
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