Am Fluss des Schicksals Roman
sein spöttischer Blick erspart blieb.
Neal hob ihr Kinn empor und zwang sie, seinen Blick zu erwidern. Prüfend sah er ihr in die Augen und erblickte darin den Ausdruck von Verunsicherung und Scham. Er kam sich erbärmlich vor. »Es tut mir Leid, dass ich Ihnen einen ganz besonderen Moment im Leben verdorben habe.«
Francesca hatte sich insgeheim gewünscht, dass Monty der erste Mann wäre, der sie küsste, aber er hatte sich galant zurückgehalten. Sie bezweifelte, dass Neal Mason sich jemals in Zurückhaltung übte.
»Ich konnte diesem honigsüßen Mund einfach nicht widerstehen«, flüsterte Neal und sah, wie ihr Tränen über die Wangen kullerten. Seine Hände lagen noch immer auf ihren Schultern, und er beugte den Kopf vor und küsste zaghaft jede einzelne Träne fort, um ihr gleich darauf wieder in die Augen zu sehen. Obwohl er das unbändige Verlangen spürte, sie noch einmal zu küssen, hielt er sich zurück. Mit seinem ersten Kuss hatte er bereits genug Schaden angerichtet.
Dann aber war es Francesca, die die Initiative ergriff. Sie legte ihm eine Hand in den Nacken und zog ihn zu sich heran. Ihre Lippen berührten sich, zart und salzig. Sie blickte in seine dunklen Augen, die im Mondlicht schimmerten, konnte darin aber weder Spott noch Hochmut entdecken. Seine Augen spiegelten nur wider, was sie selbst empfand.
Neal küsste sie zärtlich – und dieses Mal mit der Behutsamkeit, die ein erster Kuss verlangt. Er küsste ihre Wange, ihr Kinn, und fand wieder zu ihrem Mund zurück. Francesca kostete den Kuss aus, hätte ihn am liebsten niemals enden lassen. Schließlich löste Neal sich von ihr und strich mit den Fingerspitzen über ihre samtweichen Wangen. »Du bistunglaublich schön, Francesca«, sagte er leise mit rauer Stimme. Zärtlich fuhr er mit dem Daumen über ihre volle, geschmeidige Unterlippe. »Und wenn man diese Lippen küsst, ist es um die Vernunft geschehen.«
Ein leichtes Lächeln erschien auf Francescas Gesicht. Unter ihren Fingerspitzen konnte sie Neals Herzschlag fühlen, und seine dunklen Augen funkelten vor Verlangen. Zum ersten Mal erkannte sie, welche Macht eine Frau über einen Mann haben konnte, und Neal hatte ihr zum ersten Mal das Gefühl vermittelt, eine richtige Frau zu sein.
8
G uten Morgen«, sagte Francesca aufgeräumt, als sie an Deck in die herrliche Morgensonne trat. Ned, Neal und ihr Vater lehnten an der Reling und tranken ihren Morgentee. Francesca lächelte sie an, und ihr Blick verharrte kurz auf Neal, bevor sie sich schüchtern abwandte. Der warme Ausdruck in seinen Augen jagte ihr einen wohligen Schauer durch den Körper, und sie musste daran denken, wie es war, in seinen Armen zu liegen und von ihm geküsst zu werden.
»Ich habe Tee gekocht«, sagte Joe, der verwirrt von Neal zu Francesca schaute. Gewöhnlich zankten sich die beiden, sodass er sich fragte, was ihm entgangen war.
»Danke, Dad«, sagte Francesca und machte sich beflügelten Schrittes zur Kombüse auf, wobei sie leise eine fröhliche Melodie summte.
»Sie scheint heute Morgen bester Laune zu sein«, sagte Joe und richtete den Blick wieder auf Neal.
Neal begriff Joes Verwirrung. »Mal ’ne nette Abwechslung, nicht wahr?«, entgegnete er, drehte sich um und kippte den Bodensatz seines Tees in den Fluss.
Joe bemerkte Neals flüchtiges, geheimnisvolles Lächeln und wollte ihm gerade auf den Zahn fühlen, als er plötzlich hörte, dass jemand seinen Namen rief. Er wandte sich um und sah Ezra Pickering am Pier.
»Guten Morgen, Ezra«, grüßte Joe und ging ihm entgegen, in der leisen Hoffnung, dass er wieder Aufträge hatte und seine Arbeitskraft benötigte.
»Haben Sie schon Arbeit gefunden, Joe?«, fragte Ezra.
»Ich hatte einen Auftrag, der aber aus unerfindlichen Gründen storniert wurde. Ich habe keine Ahnung, warum«, antwortete Joe mit aufkeimender Hoffnung.
Ezra war nicht überrascht, zumal er wusste, dass Silas sich vorgenommen hatte, Joe mit allen Mitteln zu ruinieren. Erneut überkam ihn das schlechte Gewissen. Er überlegte, ob er Joe von Silas’ Plan erzählen sollte, gelangte aber zu dem Schluss, dass es keinen Sinn machte, gemeinsam mit Joe unterzugehen. Auch wenn er bereit wäre, sich selbst zu opfern – er beschäftigte zahlreiche Männer, die darauf angewiesen waren, dass er ihnen Arbeit gab, um ihre Familien zu ernähren. »Hätten Sie Interesse, Dolan O’Shaunnessey Holz zu liefern?«
Joe sah bestürzt drein. »Sagt man ihm nicht nach, dass er ein Hitzkopf ist?« Er
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