Am Fluss des Schicksals Roman
Bordell.«
Neal wirkte einen Augenblick verwirrt und richtete den Blick auf den Fluss.
»Was ist, Neal?«, fragte sie spöttisch. »Austeilen kannst du, aber nicht einstecken, stimmt’s?«
Er wandte sich um und sah ihr ins Gesicht. »Du bist auf dem falschen Dampfer, Francesca.«
»Das glaube ich nicht. Schließlich habe ich gesehen, dass du im Bordell an der Promenade ein- und ausgehst.«
»Du denkst, ich steige mit den Dirnen ins Bett?«
»Hältst du mich für so naiv, dass ich annehme, du putzt dort die Fenster?«
Neal stieß einen Seufzer aus. »Du hast dir deine Meinung über mich offensichtlich schon gebildet. Also ist jedes weitere Wort von mir nutzlos.«
»Ich habe auch allen Grund dazu, so über dich zu denken, oder?« Francesca fiel Montys Bemerkung ein. »Hat eine Frau dir das Herz gebrochen, Neal? Hat deine Verlobte dich verlassen? Ist das der Grund, weshalb du dir geschworen hast, niemals zu heiraten?«
Neal war entgeistert, dass sie zu solchen Schlüssen gelangte. »Nein.«
»Warum bist du dann so verbittert gegenüber Frauen?«
»Ich bin keineswegs verbittert. Ich liebe Frauen, und ich liebe ihre Gesellschaft.«
In Francesca stieg Eifersucht hoch. »Liebe! Wahre Liebe hält länger an als eine Woche. Wahre Liebe findet man nicht im Bett mit einer Frau, die man für ihre Gefälligkeiten bezahlt.«
Ohne Neals Reaktion abzuwarten, stürmte Francesca in ihre Kajüte, damit er ihre Tränen nicht sah.
Neal schaute wieder auf den Fluss, tief in Gedanken versunken.
Er war nie eine Beziehung eingegangen, weil es für ihn nichts Wichtigeres gab, als sich um Gwendolyn zu kümmern. Bislang hatte er nie das Gefühl gehabt, für Gwendolyn sein eigenes Glück zu opfern, doch er hatte nie zuvor so viel für eine Frau empfunden wie für Francesca Callaghan.
10
A ls Montys Kutsche vor dem Landsitz vorfuhr, wurde die Eingangstür geöffnet, und Regina trat hinaus auf die Veranda.
»Herzlich willkommen, Francesca«, grüßte sie aufgeräumt und kam die Stufen herunter. »Wir freuen uns sehr, dass Sie kommen konnten.«
»Vielen Dank für die Einladung, Mrs Radcliffe«, erwiderte Francesca. Sie konnte nicht umhin, an den Empfang zu denken, den Regina ihr beim ersten Mal bereitet hatte. Der Unterschied war immens. »Ich freue mich, hier zu sein.«
»Ich weiß, dass Monty Ihnen das Grundstück zeigen möchte, dennoch hoffe ich, dass er auch seiner Mutter ein wenig Zeit gönnt, damit wir uns näher kennen lernen.« Sie lächelte ihrem Sohn verschwörerisch zu, sodass Francesca sich vorkam, als sei sie in ein Komplott geraten.
»Habe ich dem irgendetwas entgegenzusetzen, Mutter?«, fragte Monty mit gespielter Resignation, doch sein schelmisches Grinsen verriet ihn.
»Nein, ich wollte nur höflich sein«, entgegnete Regina lachend, hakte sich bei Francesca ein und führte sie zur Veranda hinauf. »Wir möchten, dass Sie sich hier entspannen und sich verwöhnen lassen, Francesca«, sagte sie. »Wenn Sie wünschen, können Sie vor dem Abendessen ein Bad nehmen. Als einzige Frau auf der Marylou verfügen Sie wahrscheinlich über wenig Privatsphäre, sich so etwas zu gönnen, nicht wahr?«
Francesca blickte erstaunt. Reginas Worte kamen völlig unvorbereitet, aber sie hatte Recht. Wenn Francesca an Bord ein Bad nehmen wollte, musste sie sich mit einer kleinen Wanne begnügen und diese jedes Mal in ihre enge Kajüte schleifen, sodass die Vorstellung, sich in einer großen Badewanne zu räkeln, geradezu himmlisch war. »Ich würde mich sehr gern in einer richtigen Badewanne ausstrecken, aber ich möchte Ihnen keine Umstände ...«
»Mit dieser Reaktion habe ich gerechnet«, wurde sie von Regina unterbrochen. »Deshalb habe ich Mabel schon vor Stunden aufgetragen, Wasser heiß zu machen.« Sie durchquerten den Salon. »Sie müssen am Verdursten sein. Ich lasse uns Tee bringen. Monty wird Ihre Tasche nach oben in eines der Gästezimmer bringen.« Sie warf einen Blick über die Schulter. »Nicht wahr, mein Lieber?«
»Ja, Mutter«, erwiderte Monty, dessen Hoffnung, ein paar Stunden ungestört mit Francesca zu verbringen, sich immer mehr zerschlug.
»Zurzeit sind die Scherer hier, und es gibt viel zu tun, aber das ist eine gute Gelegenheit, einen richtigen Einblick in den Betrieb hier zu bekommen. Frederick ist gerade unten bei den Ställen, aber bis zum Abendessen wird er zurück sein. Da wir gerade vom Abendessen sprechen, ich habe Mabel veranlasst, ihre Spezialität zuzubereiten, Lammbraten mit Minzgelee. Er
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