Am Fluss des Schicksals Roman
von Stirn und Nacken. Sie war fix und fertig, und das nicht allein wegen der Hitze. Sie musste sehr viel lernen, wenn sie ihr Kapitänspatent erlangen wollte, und da sie zurzeit viele andere Dinge verarbeiten musste, fiel es ihr schwer, einen klaren Kopf zu bewahren.
»Ich gehe schwimmen«, sagte sie schließlich.
Joe machte ein skeptisches Gesicht.
»Bleib aber in Sichtweite«, erwiderte er. »Die Strömung hier kann gefährlich sein.«
»Ich passe schon auf, Dad«, erwiderte Francesca. »Du weißt doch, ich bin eine gute Schwimmerin«, fügte sie hinzu.
»Mag sein, aber dieser Fluss hat schon viele gute Schwimmer das Leben gekostet.«
Joes gequälter Gesichtsausdruck ließ Francesca erkennen, dass er nach wie vor nicht über den Verlust ihrer Mutterhinweg war und dass sie sich seiner Bitte fügen musste. Zudem musste sie sich eingestehen, dass sie in letzter Zeit leicht reizbar war, da die täglichen Begegnungen mit Neal Mason auf dem Schiff ihren Tribut forderten. Sie vermied es tunlichst, mit Neal zu reden, und so herrschte eine gespannte Atmosphäre an Bord der Marylou, aber es wäre nicht fair gewesen, ihre schlechte Laune an ihrem Vater auszulassen.
»Vielleicht sollte ich mitkommen«, schlug Joe vor. Der Gedanke, ihr könnte etwas zustoßen, war ihm unerträglich.
»Behandle mich nicht wie ein Kind, Dad«, entgegnete Francesca mit weicher Stimme, um ihn nicht vor den Kopf zu stoßen. »Ich passe schon auf. Ich gehe ein Stück das Ufer hinauf, um ungestört zu sein, aber ich verspreche dir, im flachen Gewässer zu bleiben.« Obwohl Francesca kein Kind mehr war, fiel es Joe schwer, sie wie eine Erwachsene zu behandeln. Nach so langer Trennung über so viele Jahre hinweg hatte er nicht verfolgen können, wie aus dem kleinen Mädchen eine junge Frau geworden war, er musste sich erst noch daran gewöhnen. »Pass auf, dass du in der Nähe des Ufers bleibst, und nimm dich vor den Baumstämmen in Acht. Die können tückisch sein.«
Francesca wandte sich um, lächelte und verdrehte die Augen, bevor sie die Treppe vom Ruderhaus hinunterstieg, nachdem sie Joe erneut versprochen hatte, vorsichtig zu sein.
Mike Finnion lenkte die Curlew längsseits des Piers in Echuca, wo Silas Hepburn ihn bereits erwartete.
»Und?«, meinte Silas, bevor das Schiff festmachte.
»Er transportiert Holz für Dolan O’Shaunnessey«, entgegnete Mike.
Silas’ Gesicht verfärbte sich rot vor Zorn. »Dann hat Ezra mich also doch belogen«, stieß er hervor. »Weißt du auch, wo Joe das Holz aufsammelt?« Er musste jede Einzelheit wissen, um Joe das Leben zur Hölle zu machen.
»Er holt es im Wald von Moira und bringt es flussaufwärts nach Thistle Bend zu O’Shaunnessey. Gestern und heute Vormittag hat er jeweils eine volle Ladung abgeliefert, und nachts ankert er in der Nähe von Budgie Creek.«
Im Geiste überschlug Silas, wie viel Joe das einbringen mochte und wie viel Zeit er für die gesamte Transportfahrt mit Ladezeiten benötigte. »Gute Arbeit, Finnion.« Nachdenklich rieb Silas sich das Kinn. Dolan O’Shaunnessey würde sich durch nichts von ihm einschüchtern lassen, folglich musste er die Sache anders angehen. Zum Glück gingen ihm niemals die Ideen aus. »Kannst du mir Zeb Critchley holen? Ich habe einen Auftrag für ihn.« Silas plante zudem, Ezra Pickering nicht ungeschoren davonkommen zu lassen, nachdem dieser ihn zum Narren gehalten hatte. »Und gib bei der Gelegenheit Matches Maloney Bescheid, dass ich ihn sprechen will.«
Mike sah ihn entgeistert an. »Matches?«
»Beeil dich gefälligst«, herrschte Silas ihn ungeduldig an.
»Ja, Mr Hepburn«, erwiderte Mike und sprang an Land.
»Critchley wird im Star sein. Matches findest du bei Molly McGuire. Sag ihnen, ich erwarte sie im Hinterzimmer im Steampacket.«
Mike wusste, dass Silas dort immer Gespräche führte, die vertraulich bleiben sollten. »Ja, Sir, Mr Hepburn«, sagte er und machte sich auf den Weg.
Das Flusswasser war geradezu eine Wohltat für Francescas erhitzten Körper. Sie stieß sich vom Ufer ab und aalte sich in der erfrischenden Kühle.
»Schwimm nicht zu weit raus«, hörte sie Joe vom Schiffsheck her rufen, von wo er sie im Wasser erspäht hatte. Sie war ein Stück am Ufer entlanggegangen, um in ihrem Badekostüm vor Neals Blicken geschützt zu sein. Obwohl es wenig offenbarte, hatte Neal sie mit einem solchen Verlangen inden dunklen Augen angesehen, dass sie sich splitternackt gefühlt hatte.
»Keine Sorge, Dad«, rief sie zurück.
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