Am Fluss des Schicksals Roman
hatten sie alle Kraft gekostet, und sie hatte Mühe, den Kopf über Wasser zu halten. Sie hatte nicht einmal genügend Luft, um nach Hilfe zu rufen.
Francesca wusste, dass ihr nur noch wenige Minuten blieben.
Neal suchte weiter die Wasseroberfläche ab, ohne Francesca zu erspähen. Vor Angst klopfte ihm das Herz bis zum Hals. Plötzlich entdeckte er ihren Kopf im Wasser. Sofort sprang er in den Fluss und war nach wenigen Sekunden bei ihr. Francesca schluckte Wasser und drohte zu ertrinken. Neal versuchte, sie ans Ufer zu ziehen, merkte jedoch rasch, dass sie festhing. Er holte tief Luft und tauchte unter. Sofort sah er, dass der Stoff ihres Badekostüms sich in einem Baumast unter Wasser verfangen hatte, sodass sie nur noch ein Bein freibewegen konnte. Er zog sein Messer aus der Hosentasche und machte sich daran, den Stoff zu zerschneiden, bis er ihr Bein befreit hatte. Dann tauchte er wieder nach oben, nahm ihren schlaffen Körper in Schleppgriff und schwamm ans Ufer. Behutsam legte er die zu Tode erschöpfte Francesca auf das warme Gras.
Besorgt beugte er sich über sie, während sie nach Atem rang. Neal stellte fest, dass die Verletzung an ihrem Bein nicht ernst war.
Sie schlang die Arme um seinen Hals und legte den Kopf an seine Schulter, während ein Weinkrampf sie übermannte. »Ich dachte, ich muss ... sterben«, keuchte sie.
Er drückte sie an sich, und die Anspannung fiel von ihm ab. Sein Puls raste noch immer. »Jetzt ist es überstanden«, tröstete er sie.
»Wenn du ... mich nicht ... entdeckt hättest ...«
»Aber ich habe dich entdeckt. Ich werde niemals zulassen, dass dir etwas zustößt, Francesca. Niemals«, sagte Neal leise.
Seine Worte verwirrten Francesca. Er klang, als würde ihm tatsächlich etwas an ihr liegen ... wo er doch gesagt hatte, dass eine feste Beziehung und eine Familie ihn nicht interessierten. Francesca fragte sich, was für ein Spiel er mit ihr trieb. Sie schob ihn von sich weg und sah ihm in die Augen. »So etwas sollte man nur sagen, wenn man es ernst meint, Neal. Es ist nicht fair, mit meinen Gefühlen zu spielen.«
»Es ist mein Ernst, Francesca. Ich werde nie zulassen, dass dir etwas passiert. Habe ich das nicht eben bewiesen?«
»Du hast mir das Leben gerettet, aber das gibt dir noch lange nicht das Recht, mir das Herz zu brechen.«
Neal schloss kurz die Augen. »Du hast Recht. Ich könnte dir nie der Ehemann sein, den du willst. Das bedeutet aber nicht, dass mir nichts an dir liegt.« Neal bemerkte, dassFrancesca irritiert war, dachte jedoch an Gwendolyn und seine Verpflichtungen. »Manche Männer taugen nun mal nicht für die Ehe.«
Francesca rappelte sich auf. »Ich verstehe dich nicht«, sagte sie, »und das wird mir auch nie gelingen.« Mit einem Mal war sie sich über ihre eigenen Gefühle völlig im Klaren. Auch wenn Neal sie nie heiraten würde – es bedeutete nicht, dass sie nichts für ihn empfand. Im Gegenteil. Ihr wurde bewusst, dass sie für Neal ganz andere Gefühle hegte als für Monty Radcliffe. In Montys Gegenwart fühlte sie sich wohl, doch sie empfand keine Leidenschaft für ihn. In Neals Nähe hingegen kam sie sich vor, als würde ihr Innerstes nach außen gekehrt. Aber was hatte das zu bedeuten?
»Sag meinem Vater nichts von dem Vorfall, Neal. Sonst lässt er mich nie wieder schwimmen.« Sie verschränkte die Arme über der Brust und wandte sich beschämt zur Seite. Bestimmt sah sie wie eine ertränkte Katze aus.
»Nur wenn du mir versprichst, nie wieder alleine schwimmen zu gehen, Francesca.«
Sie nickte. Jetzt wusste sie, weshalb ihr Vater so besorgt gewesen war. Sie ließ den Blick über den Fluss schweifen, doch die ruhige Wasseroberfläche täuschte über die unsichtbaren Gefahren darunter hinweg – in Gestalt gefährlicher Äste und einer lebensbedrohlichen Strömung.
Als die Marylou sich am Donnerstagvormittag O’Shaunnesseys Sägewerk näherte, fiel Joe die ungewohnte Stille auf. Kein Dampf stieg aus dem Schornstein der Pressen, und das Gelände war verwaist. Nachdem sie festgemacht hatten, ging er an Land. Neal und Ned wies er an, an Bord zu bleiben, bis er herausgefunden hatte, was vor sich ging.
Alarmiert stellte Joe fest, dass keine Menschenseele zu sehen war und das Tor zur Straße verriegelt. Er konnte sich keinen Reim darauf machen.
In diesem Moment trat Charlie Walsh, Dolans rechte Hand, aus dem Büro.
»Was geht hier vor sich?«, fragte Joe.
»Ich habe alle Männer nach Hause geschickt, weil Dolan gestern Abend
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