Am Fluss des Schicksals Roman
Mrs Radcliffe, dürfte ich kurz mit Ihnen sprechen?«
Regina tat, als hätte sie ihn nicht gehört, und schickte sich an, Gregory Panks Stoffladen zu betreten.
»Mrs Radcliffe.« Ned ließ sich nicht abwimmeln. »Wir müssen über eine wichtige Angelegenheit sprechen ...«
Regina hielt inne, wandte sich halb um und ließ den Blick nach links und rechts schweifen, um sich zu vergewissern, ob sie beobachtet wurden. »Worum geht es?«, zischte sie ungeduldig, fest entschlossen, sich nicht lange aufhalten zu lassen.
Ned hatte noch nie mit ihr zu tun gehabt, und Reginas Feindseligkeit schockierte ihn. »Ich bin Ned Guilford. Ich arbeite für Joe Callaghan ...«
»Ich weiß, wer Sie sind. Was wollen Sie? Ich habe eine Verabredung.«
»Es wird nicht lange dauern.« Ned räusperte sich nervös. »Francesca hat mir erzählt, was auf Derby Downs vorgefallen ist ...«
Alarmiert unterbrach Regina ihn. »Wovon sprechen Sie?«
Mit einem Mal kamen Ned Zweifel, ob er das Richtige tat. An Reginas abweisender Miene erkannte er, dass sie es ihm nicht leicht machen würde, aber Frannie zuliebe hatte er keine andere Wahl.
»Sie hat gesagt, dass Sie sich für ihr Muttermal interessiert haben. Wissen Sie etwas darüber ...?«
»Ich weiß nicht, was Sie meinen«, entgegnete sie und wandte sich zum Gehen, doch Ned ergriff ihren Arm, wobei er bemerkte, wie heftig sie zitterte. Regina blickte auf seine Hand auf ihrem Arm und funkelte ihn voller Geringschätzung an, weil er es gewagt hatte, sie zu berühren.
Mein Armband!, durchzuckte es sie plötzlich, als sie bemerkte, dass es nicht mehr an ihrem Handgelenk war. Wo ist es?
Betreten zog Ned die Hand zurück, doch er war fest entschlossen, die Wahrheit herauszufinden. »Tut mir Leid, wenn ich unhöflich war, aber ich bin sicher, Sie wissen, wovon ich spreche. Francesca kennt nicht die genauen Umstände ihrer Geburt ...«
Vor Reginas geistigem Auge tauchte deutlich das Bild auf, wie sie damals am Flussufer entbunden hatte, und sie fühlte sich einer Ohnmacht nahe. »Wie kommen Sie dazu, so etwas zu behaupten?«, gab sie mit erstickter Stimme zurück. Sie bemerkte, dass andere Passanten auf sie aufmerksam wurden, sodass sie sich zusammenriss, was sie erhebliche Mühe kostete.
»Weil Sie sich für das Muttermal interessiert haben«, antwortete Ned mit leiser Stimme. Er hatte zwar keinen schlüssigen Anhaltspunkt, doch seine Ahnung sagte ihm, dass Regina mehr wusste. »Ihnen ist doch bekannt, dass Mary nicht Francescas leibliche Mutter war, oder?« Regina wirkte nicht im Geringsten überrascht, sodass Ned sich bestätigt fühlte, das Wagnis einzugehen. »Wissen Sie, wer Francescas wirkliche Mutter ist? Ist es eine von Ihren Hausangestellten?«
Regina fühlte sich plötzlich benommen. »Selbstverständlich nicht. Ich weiß nichts über Francescas Mutter, aber ich rate Ihnen, ihr nichts von den Umständen ihrer Geburt zu erzählen«, sagte sie. »Sie braucht nichts davon zu erfahren.«
Der letzte Satz machte Ned stutzig. Er begriff nicht, weshalb Regina der Ansicht war, Fran nichts zu sagen, zumal sie zuvor behauptet hatte, gar nichts darüber zu wissen. »Ich habe nicht die Absicht, aber ich hatte befürchtet, Sie würden ihr etwas sagen.«
»Ausgeschlossen.« Regina schob das Kinn vor, wild entschlossen, für alle Zeiten zu verheimlichen, dass sie sich mit Silas Hepburn eingelassen und ihr gemeinsames Kind im Fluss ausgesetzt hatte. Ihr war bewusst, dass sie sich hatte gehen lassen, als sie durch Lizzie Spender von Silas’ Absichten erfahren hatte. In dem Moment hatte Regina sich nicht unter Kontrolle gehabt, weil die Vorstellung, dass Silas seine eigene Tochter heiraten wollte, sie zutiefst schockiert hatte. Dennoch bezweifelte sie, dass Lizzie etwas aufgeschnappt hatte oder sich einen Reim darauf machen konnte. Dazu war sie nicht schlau genug. »Ich habe mich für das Muttermal interessiert, weil es so ungewöhnlich ist. Dabei bekam ich zufällig einen meiner Schwindelanfälle. Falls Francesca etwas anderes behauptet, entspringt es ihrer Fantasie. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen ...«
»Aber warum haben Sie gefragt, wann ...« Ned hatte nicht die Gelegenheit, den Satz zu Ende zu sprechen, da Regina davoneilte. Er hatte sie fragen wollen, warum sie Francesca nach ihrem Geburtsdatum gefragt hatte und warum sie ihr vom Balkon den seltsamen Blick zugeworfen hatte. Reginas Erklärung für ihr Interesse an Francescas Muttermal erschien Ned an den Haaren herbeigezogen. Seine Unruhe
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