Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)
Hochstadt die jungen Händler bezahlt. Wenn man die Daten der entsprechenden Abschlüsse mit Sanders’ Kalender abgleicht, sieht man, dass das genau passt. Da steht es alles drin.«
»Um welche Summe geht es?«
»Sieht so aus, als hätte Sanders die Firma um vierhundertsechzigtausend erleichtert. Wenn ich von dem ausgehe,was da ist, würde ich sagen, sein Anteil lag bei fünfzig Prozent.«
»Zweihundertdreißigtausend Dollar?
»Dreiunddreißig.«
»Mein lieber Mann, Sie sind wirklich ein unverfrorener Dreckskerl, wissen Sie das? Reden wir jetzt mal gar nicht von Großdiebstahl. Wissen Sie, was ›Behinderung der Ermittlungen‹ bedeutet? Drei weitere Jahre Kost und Logis bei meinem Arbeitgeber.«
»Vergessen Sie das, Maloney. Keine Drohungen mehr. Sie haben alles gekriegt. Jetzt holen Sie meinen Sohn zurück.« Ich hatte meine letzte Karte gespielt.
»In Ordnung. Willkommen in meinem Team. Um acht holen wir Sie ab. Bis dahin haben Sie Ihre öffentliche Fahndung.«
20
Der Morgen war nicht mehr fern, doch er schien ewig nicht kommen zu wollen. Ich lag auf Kids Bett, schnupperte an seinem Kissen und verfolgte das Spiel der Schatten an der Decke. Im Vergleich zu dem, was ich jetzt durchmachte, war meine erste Nacht im Gefängnis, wo die unheimlichen Schreie von Raubtieren und Beute in den Betonkorridoren widerhallten, ein Tag am Strand gewesen. Ich wickelte mich in eine Decke und zählte die Minuten bis zum Anbruch der Dämmerung. Und irgendwann war es das Einfachste, aufzustehen und den Tag zu beginnen.
Ich ignorierte die ärztlichen Empfehlungen und blieb auch dann noch unter der Dusche stehen, als das Wasser längst eine rote Färbung angenommen hatte. Von den Knien aufwärts bis zur Schädeldecke hatte ich überall blaue Flecken und Schmerzen. Was nicht wehtat, waren die Füße. Bauch und Brustkorb, die TeePauls Tritte am massivsten abgekriegt hatten, changierten scheußlich schön in allen Abstufungen von Rot, Blau und Dunkelrot. Jeder Atemzug endete, wenn der Schmerz kam, mit einem kleinen Japsen. Dafür war der Fleck unter dem Auge bereits verblasst, und nachdem ich mich rasiert, mein Haar gekämmt und vorsichtig über die Klammern drapiert und schließlich den Anzug angezogen hatte, der am bequemsten saß, sah es so aus, als könnte ich als ein Lebender durchgehen.
Da war es erst halb sieben – immer noch anderthalb Stundenzu früh. Anderthalb Stunden zum Nachdenken. Zum Sorgenmachen. Der Tagesablauf des Jungen wurde über den Haufen geworfen. Über die ersten ein, zwei Stunden mochte ihn die Tatsache gerettet haben, dass er plötzlich wieder bei seiner Mutter war, aber der Kontakt zu anderen Menschen war für ihn nicht so wichtig und konnte auf keinen Fall ausgleichen, dass er an einem Beige-Tag etwas Rotes anhatte. Routine. »Klare, regelmäßige, absehbare Abläufe nehmen ihm viel von seinen Ängsten«, sagten sie alle. Die Experten.
Entschuldige, Kid, dachte ich.
Ich rief in der Schule an und stellte mich tapfer einer weiteren Unterredung mit Mrs. Carter. Vielleicht hätte sie mehr Verständnis gezeigt, wenn ich die Wahrheit gesagt hätte, doch ich wollte das Risiko nicht eingehen. Als Nächstes rief ich Heather an und hinterließ eine Nachricht. »Bis Sie etwas anderes von mir hören, brauchen Sie den Jungen nicht von der Schule abzuholen. Er ist für ein paar Tage bei seiner Mutter.«
Es war nicht abzusehen, was Angie mit ihm anfangen würde, wenn sie ihn erst mal in Louisiana hatte. Vielleicht spielte sie eine Zeit lang die Häusliche mit ihrer niedlichen, fünf Jahre alten Puppe, vielleicht gab sie ihn aber auch gleich wieder bei ihrer Mutter ab. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte ihre Unberechenbarkeit einen Teil ihres Charmes ausgemacht.
Ich ging noch einmal in sein Zimmer. Seine Autos – bis auf die wenigen, die er mitgenommen hatte – standen auf dem Regal über seinem Bett. Die Abstände zwischen den einzelnen kleinen Fahrzeugen waren exakt gleich groß. In der Reihenfolge konnte ich kein Muster erkennen – Farben, Bauarten, Modelle bunt durcheinander –, aber ich war sicher, dass Kid die kleinste Veränderung sofort registriert hätte. Ein Auto, das nicht an seinem Platz stand, konnte einen Ausbruch herbeiführen. Einen Schreianfall.
Ein Schluchzer stieg in mir hoch, bahnte sich einen Weg aus meiner Kehle und ließ eine große Leere zurück. Mein verrückter kleiner Junge fehlte mir.
Rasch suchte ich die verlangten Papiere zusammen – seine Geburtsurkunde, die
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