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Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)

Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Sears
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Risikoanleihen geleitet. Wenn die Wogen sich etwas geglättet haben, werde ich dafür sorgen, dass er morgen früh wieder bei Ihnen ist. Nehmen Sie doch den Rest des Tages frei – so, wie es hier momentan zugeht,mit all den Gerüchten im Umlauf, wird sich ohnehin keiner Zeit für Sie nehmen.«
    Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich fuhr nach Hause zu meinem Sohn.

6
    Kid und ich feierten seinen zweiten Tag in der Schule. Da er es ablehnte, Milch oder irgendetwas mit Fruchtfleisch oder Sprudel zu sich zu nehmen, trank er einfach Wasser. Für mich hatte ich ein Bier bestellt.
    Ich setzte ihn auf einen Barhocker direkt vor die Jukebox und gab ihm eine Handvoll Vierteldollarmünzen. Er ließ immer wieder dasselbe Stück laufen – C104, Sultans of Swing von den Dire Straits –, ohne Ende. Niemand beschwerte sich. Solange er noch Münzen hatte und die verschiedenen Lichter vor ihm aufblinkten, war er zufrieden.
    Die klassische Dienstagnachmittagbesetzung löste sich nach und nach auf. Vinny, der Spieler, war bereits gegangen, Ma und Pa allerdings hielten ihr Ende des Tresens noch okkupiert. Sie standen immer, nie sah man sie sitzen. Und wenn sie so viel von ihrem Scotch respektive Gin getrunken hatten, dass das Stehen ihnen Mühe bereitete, gingen sie. Das war ihre Form der Selbstdisziplin.
    An der Mittellinie saßen Tommy und Billy, die beiden Deadheads, die ich an meinem ersten Abend zurück in der Stadt kennengelernt hatte, und führten ihre nie endende Debatte: Auf über zweihundertdreißig Konzerten hatten die Grateful Dead Dark Star gespielt – bei welchem Konzert am bewundernswürdigsten? An jenem Abend hatte ich den Fehler gemacht, mich in das Gespräch reinzuhängen – da wusste ich noch nicht, was das hieß.
    Der Song war zu Ende, und ich sah nach Kid. Mit der Konzentration eines Neurochirurgen schob er die nächste Münze in den Schlitz.
    Die Tür ging auf, und herein kam Roger, neben sich eine sportlich wirkende Frau. Sie war mindestens einen Kopf größer als er – und dreißig Jahre jünger. Sie waren ein kurioses Paar. Roger sah sich um, und als er mich entdeckte, zeigte sich in seiner Miene so etwas wie ein Lächeln. Er steuerte auf mich zu und bedeutete der Frau ungeduldig, sie solle ihm folgen.
    »In diesem Augenblick«, sagte er anstelle von »Hallo«, »fragst du dich: Was zum Teufel macht dieser hässliche alte Clown mit so einer Klassefrau, die ja wohl seine Tochter sein könnte? Hab ich recht, oder was?«
    Die Frau schnaubte. »Enkelin!«
    Sie war bestimmt um die eins achtzig und gut gebaut. Ihr Gesicht hatte etwas Entschlossenes, die Züge waren markant. Ein Mund, der eher zu einem Kuss herausforderte, als darum zu bitten. Wenn ich das richtig sah, trug sie kein Make-up, oder aber sie war sehr geschickt im Auflegen. Dunkelbraunes schulterlanges Haar. Große grüne Augen, die beides konnten, provozieren und lachen.
    »Schön, dich zu sehen, Roger«, sagte ich.
    Er wandte sich an die Frau. »Siehst du? Ich hab dir gesagt, das ist ein netter Mann. Jetzt sag dem netten Mann Hallo.«
    Sie musterte mich und schien zu dem Schluss zu kommen, dass ich kein Scheusal war.
    »Hallo, netter Mann!«
    Sie hatte eine angenehme Stimme. Tief und warm, und es war so wenig Akzent zu hören, dass sie daran hart gearbeitet haben musste. »Nach Rollies Beschreibung hatte ich mir jemanden vorgestellt, der älter und ...«
    »... weiser ist?« Ich lächelte.
    »Nein. Vielleicht ein bisschen nachlässiger wirkt. Nicht so ...«
    »... männlich«, sagte ich.
    »Ernst«, sagte sie und lieferte eine ziemlich gute Imitation dessen, was ich jeden Morgen im Spiegel sah.
    Ich lachte. Ich wusste, wie ich aussah. »Um das dauerhaft hinzukriegen, muss man jahrelang üben.«
    »Ich wette, wenn du dir mal ein Lächeln genehmigst, siehst du gar nicht schlecht aus.«
    Roger hievte sich auf einen Barhocker. »Rollie! Einen Weißwein für die kleine Lady.« Aus irgendeinem Grund fand er das sehr witzig. »Und für mich Sprit. Mir ist der Treibstoff ausgegangen.«
    »Du musst Wanda die Wunderbare sein«, sagte ich.
    »Einfach Wanda.« Sie lächelte. Ein großartiges Lächeln. Mein Hirn war wie leer gefegt, meine Kehle schnürte sich zu, meine Zunge verknotete sich gerade selbst. Ich wollte sie einladen, eine Woche mit mir auf die Fidschi-Inseln zu fliegen oder wenigstens für eine Stunde mit zu mir zu kommen und sich die Aussicht auf den Broadway anzuschauen, doch ich brachte kein Wort heraus. Schließlich sah sie woandershin, und

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