Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)

Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Sears
Vom Netzwerk:
Research-Abteilung stecken, oder?«
    »Es hat nicht ganz gepasst.«
    Das wandelnde Understatement, wie immer.
    »Ich wollte Ihnen sagen«, hob er an, »dass ich fand, Sie und Ihre Abteilung haben bei der Euro-Umstellung ausgezeichnete Arbeit geleistet. Sie haben gutes Geld verdient.«
    Bevor der Euro eingeführt wurde und die EU erklärte, zu welchem Kurs die einzelnen Landeswährungen umgestellt werden sollten, hatte es monatelange Spekulationen gegeben. Ich war der jüngste Managing Director der Firma und leitete den Devisenhandel. Wir haben tatsächlich gut verdient.
    »Ich dachte, zu der Zeit wären Sie schon nicht mehr da gewesen«, erwiderte ich.
    »Das stimmt. Ich war bei Rothkamp in London, aber wir haben von Ihrem Erfolg gehört. Sie konnten jede einzelne Währung vorhersagen und haben damit gut verdient.«
    Es war einer meiner größten Coups gewesen.
    »Danke! Bei Italien lagen wir daneben.«
    »Sie sind zu bescheiden. Bescheidenheit bringt keine Dividende. Wie auch immer, es hat mich gefreut, Sie wiederzusehen. Wir sollten mal abends etwas trinken gehen. Melden Sie sich, wenn wir Ihnen irgendwie helfen können. Brian Sanders war nicht immer ein angenehmer Mensch – er war jung und aggressiv –, aber ich glaube bestimmt nicht, dass er ein Betrüger war.«
    Damit ging er und ließ mich mit gemischten Gefühlen zurück. Er war nicht nur ein großer Kenner des Marktes, er war auch ein großartiger Mensch. Wie selbstverständlich war er über die dunklen Stellen in meiner Vergangenheit und meine offensichtlichen Manipulationen gegenüber Stockman und Barilla hinweggegangen und hatte mir einfach zu einem meiner größeren beruflichen Erfolge gratuliert. Seine Anständigkeit beschämte mich. Ich spürte einen Anflug von Klaustrophobie. Die Decke erschien mir zu niedrig, selbst den arenagroßen Handelsraum empfand ich auf einmal als einengend. Ich musste raus, ins Freie, wo eine Brise ging und mir die Sonne ins Gesicht schien.
    Vor dem Hebrew National -Hotdog-Stand auf dem Fußweg neben dem Weld -Gebäude hatte sich bereits eine Schlange gebildet. An der Wall Street wird zeitig zu Mittag gegessen.
    Ich schob mich an der kleinen Gruppe von Rauchern vorbei und bahnte mir einen Weg durch den dichten Verkehr auf dem Trinity Place. Ein schmaler Streifen Fußweg lag noch im Septembersonnenschein. Dort lehnte ich mich an die Hauswand, schloss die Augen und hob das Gesicht der Sonne entgegen.
    Mein Puls beruhigte sich, und das enge Gefühl in der Kehle verschwand. Es war ein herrlicher Tag. Wie viele schöne Tage hatte ich verpasst? Die zwei Jahre Gefängnis warennichts im Vergleich zu den zwanzig Jahren selbst auferlegter Kerkerhaft in einem Handelsraum, wo ich immer nur auf einen Monitor – oder ganze Reihen von Monitoren, wie wir sie in den ersten Jahren hatten – gestarrt und von Wetter oder Jahreszeit nichts mitbekommen hatte. Zehn Stunden am Tag, manchmal auch länger, war ich in der Lage gewesen, alle Facetten des Lebens, die nicht unmittelbar den Bedürfnissen des großen Gottes Mammon dienten, komplett auszublenden. So dass ich einen Anruf meiner schönen, oft aber auch sehr bedürftigen Frau als Störung empfand, als Ablenkung, die mich den Fängen des Marktes zu entreißen drohte.
    Ich dachte daran, den Jungen zu nehmen und New York ein für alle Mal den Rücken zu kehren. Wenn ich die Wohnung verkaufte, würden wir in Vermont oder Idaho eine ganze Weile über die Runden kommen. Ich konnte Yoga lernen und unterrichten oder Anstreicher werden oder ein Stück Land kaufen und in den ökologischen Ackerbau einsteigen.
    Lächerlich. Die Teile meines Lebens fügten sich gerade wieder zusammen. Ich kam klar. Der Junge brauchte eine spezialisierte Schule, und das würde noch auf Jahre hinaus so bleiben. Er brauchte Stabilität. Routine. Und was brauchte ich? Ich war New Yorker, also verwöhnt ohne Ende. Wie konnten in Boise, Idaho, die Bagel schon schmecken? In Benningten, Vermont, gab es Pastrami nur vorgeschnitten und eingeschweißt in Plastikpackungen, die im Foodtown -Supermarkt über dem Schinken hingen. Ich würde Gras mähen und Schnee schippen müssen.
    Am allermeisten aber würde ich die Geschäftigkeit vermissen. Das permanente Gefühl großer Dringlichkeit, das New York all seinen Einwohnern verleiht. Die Sicherheit, dass ich zu jeder Tages- und Nachtzeit wusste, wo ich denbesten Bagel, das beste Pastrami-Sandwich bekam. Und dass ich mich daran freuen würde, wenn ich sie hatte.
    Ich war wieder ich

Weitere Kostenlose Bücher