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Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)

Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Sears
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selbst. Es ging mir gut. Ich hatte keine Ahnung, was in meinem Leben als Nächstes anstand, aber ich zweifelte nicht daran, dass ich zurechtkommen würde. Ich war wieder bereit zu kämpfen.
    Nach einer Weile sah ich Sudhir aus dem Weld -Gebäude kommen und in Richtung U-Bahn davongehen.
    »Hey! Hallo, Sudhir! Hier drüben!« Ich winkte.
    Er drehte sich um, sah mich und rannte los.
    Die meisten der Anleihen-Händler waren gerade damit beschäftigt, sich an einem Buffet mit chinesischem Fast Food zu bedienen, das behelfsmäßig auf einigen der Tische im Handelsraum angerichtet war. Carmine saß schon wieder an seinem Platz. Auf seinem Pappteller türmten sich Klößchen, doppelt gekochtes Schweinefleisch, eine Shrimps-Rolle, Hähnchen in Sauce aus schwarzen Bohnen und ein Häufchen Gemüse in Krebssauce.
    »Haben Sie eine Minute?«, fragte ich.
    Er blickte nicht auf. »Ich muss nicht mit Ihnen reden.«
    »Ist das die Nachricht, die ich nach oben weitergeben soll? Der Hitzkopf von einem Junior Trade will nicht mit mir reden?«
    Bei unserer letzten Begegnung war unter seiner Bockigkeit Angst zu spüren gewesen. Jetzt war da nur noch glühender Zorn. »Mein Chef sagt, ich muss nicht mit Ihnen reden. Wenn Sie ein Problem haben, gehen Sie den offiziellen Weg. Verdammt, hauen Sie ab. Ich habe zu arbeiten.«
    Einen Augenblick lang erwog ich, einen Aufstand zu machen, laut zu werden, einen richtigen Streit mit dem arroganten kleinen Mistkerl vom Zaun zu brechen – und verwarf den Gedanken. Sollte Stockman sich damit auseinandersetzen.Ich wurde dafür bezahlt, dass ich mir höflich und professionell Einblick in einige Geschäfts- und Buchungsvorgänge verschaffte. Jetzt rannte ein Junior Trade buchstäblich vor mir davon, und ein anderer rastete mir gegenüber aus. Das Leben ist zu kurz für so einen Scheiß, dachte ich.
    »Hallo! Gibt’s hier ein Problem?«
    Neben mir war ein protzig gekleideter, kleiner Aufschneider aufgetaucht.
    »Entschuldigung?« Ich entschied mich, weder seine Frage noch seinen Ton wahrgenommen zu haben.
    Der Typ war Mitte vierzig und bekämpfte seine Stirnglatze und andere unübersehbare Spuren des Älterwerdens mit George-Hamilton-Bräune, kunstvoll quer geföhnten Haaren und Armani-Seide im Wert von mehreren tausend Dollar. Er war von jener schmalen Statur, bei der sich nur zu leicht ein basketballförmiger Bauch entwickelt. Doppelt gekochtes Schweinefleisch und weißer Reis würden ihn davor jedenfalls nicht bewahren.
    »Ich habe gefragt, ob Sie ein Problem haben.«
    »Wer sind Sie?«
    »Wer ich bin? Sie machen mir Spaß! Das hier ist meine Abteilung. Sie belästigen meinen Trader. Ich habe ihm gesagt, wenn jemand ihn belästigt, soll er ihn auf den offiziellen Weg verweisen. Okay, der offizielle Weg, das bin ich !«
    Ungeachtet meiner guten Vorsätze braute sich hier der Aufstand zusammen, den ich hatte vermeiden wollen.
    »Bedaure, aber ich kenne Sie nicht.«
    »Dafür kenne ich Sie. Sie sind der Betrüger, der vor ein paar Jahren so billig davongekommen ist. Um so ein mildes Urteil zu kriegen, müssen Sie ja ein paar von Ihren Kumpels verpfiffen haben. Haben Sie Trader verraten, ja? Alte Freunde?«
    Inzwischen umringte uns eine wachsende Schar aufmerksamerZuhörer. Sie waren alle auf seiner Seite. Das war nicht das Forum, das ich mir für ein Gespräch über meine Vergangenheit gewünscht hatte. Rückzug war angesagt, nur wollte ich mir dabei wenigstens einen Rest Würde bewahren.
    »Ich wollte gerade gehen. Lassen Sie sich nicht beim Essen stören.«
    Carmine blickte grinsend zu mir auf; er genoss meine Niederlage. Ich schwor mir, dass ich, sollte ich je eine Gelegenheit haben, ihm das heimzuzahlen, sie nutzen würde. Skrupellos.
    Der Geck trat einen Schritt zurück, krönte seine Darbietung mit einer Verbeugung und wedelte mit der Hand. Betont langsam ging ich an ihm vorbei.
    Er redete noch von hinten auf mich ein. »Sagen Sie Stockman, wenn er ein Problem hat, kann er gern herkommen und selbst mit mir reden. Jack Avery hat diese ganze Abteilung unter die Lupe genommen und nichts gefunden. Wir arbeiten hier sauber, dafür sorge ich.«
    Die Trader klatschten tatsächlich Beifall.
    Der Aktien-Handelsraum befand sich nur auf der gegenüberliegenden Seite des Gebäudes, aber dem anderen Klima nach zu urteilen hätte es auch die gegenüberliegende Seite des Planeten sein können. Kein Geschrei, kein lautes Zurufen von Preisen oder Orders – stattdessen nur das leise Klacken von Computertastaturen.

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