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Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)

Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Am Freitag schwarz: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Sears
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Reihenweise saßen da die Händler und starrten, die Schultern gekrümmt, den Kopf vorgereckt, auf ihren Monitor. Tippten etwas. Wenn überhaupt gesprochen wurde, dann immer nur kurz und in gedämpftem Ton. Es sah aus wie ein viktorianischer Albtraum von einem Kontor – nur mit Computern statt Federkielen und Hauptbüchern.
    »Lowell Barrington?« Der Händler, den ich angesprochen hatte, winkte mich wortlos weiter.
    »Die nächste Reihe.« Eine hübsche Assistentin mit einer großen Hello-Kitty-Haarspange wies mir den Weg. Die Trader links und rechts neben ihr warfen ihr finstere Blicke zu, so als fühlten sie sich von ihr in ihrer mönchischen Trance gestört.
    Als ich näher kam, blickte Barrington auf. Er täuschte kein Desinteresse vor. Er wusste, wer ich war und was ich wollte. Er nickte, nahm sein Headset ab und stand auf. Er sah aus wie dreihundert Jahre Familientradition, verpackt in Klamotten von Brooks Brothers.
    »Jason Stafford«, stellte ich mich vor. »Können wir hier irgendwo ungestört reden?«
    Ich folgte ihm zu dem Wasserspender am Ende der Reihe. Er trank einen großen Schluck, dann sah er mich an.
    »Wäre es für Sie in Ordnung, wenn wir das Gespräch auf Montag verschieben?« Er sprach leise, höflich, so als sei er soeben dem Direktor zugeführt worden.
    »Was soll denn am Montag anders sein?« Ich spielte mit. Sprach ebenfalls leise und zurückhaltend, aber autoritär.
    Er zwinkerte. Ließ die Schultern hängen und sah plötzlich erschöpft und sehr müde aus. »Es gibt ein paar Dinge, die ich Ihnen erzählen möchte. Die ich schon lange erzählen will. Aber das wird Folgen haben. Ich brauche einfach ein bisschen Zeit, um meine Familie darauf vorzubereiten.«
    Ich hatte nichts dagegen – theoretisch. Praktisch dagegen spürte ich, wie sehr es ihn drängte, sich etwas von der Seele zu reden. »Hören Sie. Wir können helfen. So, wie es nötig ist. Juristisch oder auf andere Weise. Je eher Sie erzählen, desto schneller können wir etwas unternehmen.«
    Er straffte sich und sah mich ärgerlich, ja beinahe gekränkt an. »Ich glaube, Sie verstehen das nicht. Ich muss mit meinem Vater reden, bevor ich das mit Ihnen bespreche. Das habe ich gestern Abend schon Freddie zu erklären versucht.«
    »Bevor oder nachdem Sie angefangen hatten, Doppelte zu bestellen? Sie hatten jede Menge Zeit, mit Ihrem Vater zu reden. Jetzt sollten Sie auspacken. Es hinter sich bringen.«
    »Brian war mein Freund. Ich möchte das alles geklärt haben. Ich werde Ihnen helfen. Aber erst nach dem Wochenende.«
    Er blieb fest. Doch als unsere Blicke sich trafen, sah ich in seinen Augen eine andere Geschichte. Es waren die traurigen Augen eines Mannes, der sich schämte. Ich wollte ihn nicht länger bedrängen – er bestrafte sich schon selbst genug, härter, als die Welt es jemals tun würde.
    »Kommen Sie am Montagmorgen zu mir«, sagte ich.
    »Danke.« Das Fenster in seinen Augen hatte sich schon wieder geschlossen.
    »Ich bin ab acht da. Warten Sie nicht, bis ich Sie hole; kommen Sie einfach, ja?«
    Sein Kopf ruckte kurz, und ich nahm es als zustimmendes Nicken.
    Ich kam mir hundsgemein vor.
    Die Freitagnachmittagsstarre hatte sich über die Märkte gesenkt, und die Reihen begannen sich zu lichten. Die Ersten, die gingen, waren die provisionsberechtigten Vertriebsleute. Die Letzten würden die Junior-Trader sein. Ich wollte wissen, ob Sudhir zurückgekehrt war.
    »Ich suche Sudhir«, verkündete ich.
    Der Chef-Hypotheken-Händler blickte von seinem Bildschirm auf. Er mochte Anfang vierzig sein, aber der kleine, grau gesprenkelte Schnauzbart machte ihn zehn Jahre älter. Vielleicht hatte er auch nur eine anstrengende Woche hinter sich.
    »Da sind wir schon zwei«, erwiderte er.
    »Wir waren eigentlich heute verabredet, aber ich habe ihn um die Mittagszeit aus dem Haus gehen sehen.«
    »Damit sind Sie der Letzte, der ihn überhaupt gesehen hat.«
    Offenbar hatte ich an diesem Tag eine merkwürdige Wirkung auf Junior Trade.
    »Schauen Sie sich das an«, fuhr er fort. »He, Carol, wo ist das Fax von unserem Kaninchen?«
    Die Frau, mit der ich morgens kurz gesprochen hatte, reichte mir ein Blatt Papier. Ich überflog es rasch. Es war eine Kündigung. Keine Begründung. Mit sofortiger Wirkung.
    »Der Kerl ist nach Hause gefahren, hat das geschrieben und gefaxt. So was Verrücktes hab ich überhaupt noch nicht erlebt. Wir sitzen hier gerade und gehen seine Positionen durch. Wer zum Henker kündigt denn per Fax?«
    »Er hat

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