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Am Fuß des träumenden Berges

Am Fuß des träumenden Berges

Titel: Am Fuß des träumenden Berges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Peters
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Takt der Trommeln tanzten, bis sie in kollektive Trance verfielen. Anschließend hatten sie mit ihren Liebsten eine rauschende Liebesnacht gefeiert. Jungvermählte hatten sich daran ebenso beteiligt wie jene, die noch nicht miteinander verheiratet waren; jene hatten sich darauf beschränkt, miteinander zu kuscheln. Als er am nächsten Tag zum Haus der Memsahib kam, war sie sehr müde und erklärte, sie habe die ganze Nacht wach gelegen, weil die Musik zu hören gewesen sei.
    Kinyua hatte ihr daraufhin zu erklären versucht, was ein Ngoma war. Doch sie verstand nicht, dass es nur gefeiert wurde, um die Lebensfreude auszudrücken, die Gemeinschaft zu stärken und die Gesellschaft anderer zu genießen. «Das ist doch unanständig!», hatte sie empört gerufen, als er andeutete, manchmal komme es in solchen Nächten vor, dass Männer nicht bei ihren eigenen Frauen lagen, sondern sich eine andere suchten.
    «Was soll daran unanständig sein?»
    Sie hatte ihm daraufhin erklärt, wie die Wazungu es machten. Dass ein Mann eine Frau in seine Obhut nahm – was bei den Kikuyu ebenso war – und dass sie bei ihm blieb bis zu ihrem Tod.
    «Und sie schaut nie einen anderen Mann an?»
    Sie hatte heftig den Kopf geschüttelt, als sei der Gedanke völlig abwegig. Dabei hatte er selbst gesehen, wie die Memsahib diesen anderen Mann angeschaut hatte, der mit Bwana Winston nach der kleinen Regenzeit auf Safari gegangen war. Als wollte sie lieber in seiner Obhut sein, und wenn es nur für eine Nacht war.
    Aber was so ganz und gar verrückt war an den Wazungu, das war dieser Krieg, von dem jetzt alle redeten. So ganz hatte er nicht verstanden, worum es dabei ging, aber es gab wohl in der Heimat der Wazungu verschiedene Königreiche. Der Thronfolger des einen Königreichs war erschossen worden, woraufhin dieses Reich einem anderen den Krieg erklärt hatte – auch ein Konzept, das sich ihm völlig verschloss. Waren die Kikuyu auf einen anderen Stamm nicht gut zu sprechen oder kamen ihnen die Massai wieder zu nahe, dann gingen sie nachts los und klauten den anderen Rinder oder Frauen, damit war der Blutschuld zumeist Genüge getan. Dass sich einzelne Stämme miteinander verbündeten und gegen andere Stämme kämpften, war so abwegig wie die Idee mancher abenteuerlustiger Wazungu, die auf dem Weg nach Norden im Dorf auftauchten und den träumenden Berg besteigen wollten. Der träumende Berg war keiner, den man besteigen durfte, denn dort oben wohnte Ngai. Hätte er gewollt, dass die Menschen ihn besuchten, hätte er ihnen einen Weg hinauf gezeigt.
    Das Verrückteste aber war, dass die Wazungu ihren Krieg nicht auf ihre eigene Heimat beschränkten, sondern dass sie dort, wo ihre Gebiete in Afrika aneinander grenzten, ebenfalls miteinander Krieg führen wollten. Kinyua hatte es sich von Memsahib Audrey erklären lassen, die von dieser Nachricht völlig aufgelöst war, weil der Bwana wohl in den Krieg ziehen wollte, obwohl er nicht vor seiner Haustür stattfand und ihn doch eigentlich nichts anging. Im Süden waren demnach noch andere Wazungu, Männer wie der Bwana Benjamin, den sie so angeschaut hatte, als wüsste er mehr über sie. Und dieser Mzungu und viele andere kämpften gegen Bwana Winston und seine Freunde, die in dem Protektorat rund um den träumenden Berg lebten.
    Kurz: Es war verwirrend.
    Was aber für Kinyua der endgültige Beweis dafür war, dass Bwana Winston ebenso wie seine Landsleute nicht ganz bei Trost war, erlebte er an einem Tag Anfang August. Da kam der Bwana in sein Dorf und fragte, wer von den Kikuyu ihn in den Krieg begleiten wolle.
    Kinyua drängte sich nach vorne. Die anderen machten ihm Platz, weil sie ihn respektierten und wussten, dass er mit dem Bwana auf gutem Fuß stand.
    «Keiner von uns wird dich begleiten», sagte er, verschränkte die Arme vor der Brust – wie er es von Bwana Winston abgeschaut hatte, wenn der etwas nicht wollte – und schaute ihn finster an.
    «Ich denke, das können die jungen Leute ruhig selbst entscheiden. Es ist ein gerechtes Abenteuer!»
    «Woher sollen wir das wissen? Würden wir weiter im Süden leben, wo die Wadachi herrschen, würden wir für sie in den Krieg ziehen, oder?»
    Bwana Winston nickte zögernd. «Kann schon sein.»
    «Wo ist dann der Unterschied? Für sie ist es ja auch gerecht.»
    «Ihr seid nun mal hier und nicht dort. Darum müsst ihr doch mitkämpfen wollen! Oder wollt ihr, dass General von Lettow-Vorbeck eines Tages zwischen den Teepflanzen steht, eure

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