Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Am Grund des Sees

Titel: Am Grund des Sees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
Vom Netzwerk:
Martignoni das Haus nach dem Streit durch die Hintertür verlassen hätten.
Viel später erst gestand ich mir ein, dass Calgari sie umgebracht haben musste und ihre Leichen hatte verschwinden lassen. Aber an dem Abend war ich so durcheinander, dass ich diesen Gedanken wirklich nicht denken konnte - ich stieg aus dem Keller wieder herauf und machte, dass ich fortkam. Am nächsten Tag sollte das Wasser einlaufen. Morgen wird hier nichts mehr sein, dachte ich, und es kam mir komisch vor, dass dein Vater Geld und Unterlagen zurückgelassen hatte.
Ich war wirklich zu naiv. Ich ging fort, und bald darauf deckte das Wasser alles zu. Ich bitte dich um Verzeihung, Elia. Ich möchte dir erklären, was mich damals quälte und schweigen ließ, was mich heute noch zögern lässt. Denn ich bin mir nicht sicher.
    Jetzt war alles verloren. Bevor ein neuer Tag anbrach, wären sie beide tot. Adele Fontana war geknebelt und an einen Heizkörper gefesselt. Contini saß am Schreibtisch und fixierte Calgari, der ihm mit Desolinas Bekenntnis vor dem Gesicht herumwedelte.
    »Ich bin ja nicht blöd«, sagte der Anwalt, »was dachtest du denn. Das war mir doch klar, dass du auf dem Weg hierher bist, Contini. Ich habe auf dich gewartet.«
    Adele Fontana rührte sich nicht, sie versuchte auch nicht mehr, um Hilfe zu schreien. Es war vorbei. Calgari hielt sie beide mit seiner Waffe in Schach, und es war nur eine Frage der Zeit, bis er abdrückte.
    »Jetzt ist Schluss mit lustig«, sagte Calgari.
    Auch Contini hatte sich inzwischen mit dem Tod abgefunden. Francesca war unbewaffnet, und er hatte sie fortgeschickt. Hoffentlich war sie wirklich gegangen! Wenn sie noch da war, würde sie ebenfalls dran glauben müssen.
    Am nächsten Tag würde man ihre Leichen finden. Der mordende Detektiv killt sein letztes Opfer und erschießt sich anschließend selbst, hieße es dann. Und alles andere geriete in Vergessenheit. Der See, das alte Haus, sein Vater. Francesca. Contini verabschiedete sich vom Leben.
    »Dieses Zeug hier verschwindet jetzt«, sagte Calgari und zückte sein Feuerzeug. »Und dann bringen wir’s hinter uns.«
     

26
    Das Ende des Abenteuers
    Manchmal fällt es schwer, bis zum Schluss wach zu bleiben. Das Büro liegt im Dunkeln, draußen schneit es erbarmungslos weiter. Über den stummen Bildschirm flackert wie Kaminfeuer unverständliches Geschehen. Und der Blick folgt ratlos, wie in einer langsamen Hypnose, schließlich sinkt der Kopf auf die Brust und die Welt erlischt.
    Kommissär De Marchi schläft und weiß nichts mehr. Die Arme auf dem Schreibtisch verschränkt, den Kopf auf den Armen. Die Nacht ist zu weit fortgeschritten, als dass man noch nachdenken könnte. Der Kommissär wartet, denn wie heißt es so schön? Morgen ist auch noch ein Tag.
    Jetzt ist Nacht. Es ist dunkel. Was soll er sonst tun? Schlaf, Kommissär. Schlaf und erhol dich gut. Aber auch schlafend hält De Marchi einen ruhelosen inneren Monolog, und von Zeit zu Zeit murmelt er unruhig vor sich hin.
    Die Minuten vergehen, der Morgen rückt näher. Nur das Rauschen des Heizkörpers füllt die Stille. Und das langsame Atmen von Kommissär De Marchi. Es war ein langer Tag, jetzt ist es Zeit zu schlafen. Und morgen, keine Sorge, morgen ist alles wieder klar.
     
    Kann man einer Schneeflocke nachschauen? Man sucht sich unter unzähligen dort oben eine aus, und man beobachtet sie, wie sie fällt, und verliert sie aus den Augen - die ist es, nein, die … nein, du folgst der falschen, du hast verloren.
    So sah Contini die Sekunden verstreichen. Die letzten Sekunden seines Lebens. Er klammerte sich an jede einzelne und verlor sie alsbald zwischen den anderen, und er sagte sich: Ich lebe, noch lebe ich. Calgari schien völlig unberührt von den Ereignissen der letzten Stunden, Elegant und geschniegelt wie stets, auch sein herzliches Lächeln verließ ihn nicht. Adele Fontana, die gefesselt und geknebelt am Heizkörper lehnte, hatte die Augen geschlossen.
    Calgari hielt die Flamme seines Feuerzeugs an die Blätter. Nur noch wenige Sekunden, dann wären Desolinas letzte Worte verschwunden, diese Sekunden, die sich entzogen wie Schneeflocken dem Blick. Dann würde er die Pistole gegen Contini richten und anschließend …
    Die Tür. Die Klinke wird heruntergedrückt.
    Francesca?
    Nein, unmöglich, dachte Contini, wieso war sie noch hier?
    Calgari richtete die Pistole auf die sich öffnende Tür. Es erschien eine Gestalt auf der Schwelle. Mit starrem Blick, als wäre sie in

Weitere Kostenlose Bücher