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Am Grund des Sees

Titel: Am Grund des Sees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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zu erkennen: Eingewurstet in eine dicke Winterjacke, wirkte er noch vierschrötiger als sonst.
    Spacatesta Band nannte sich die Gruppe, wie ein Transparent im Halbdunkel verriet: die Schädelspalter. Sie übten für die Fasnacht. Auch Giovanni Pellanda hatte zur Band gehört, wie Contini von seiner Witwe erfahren hatte. Nach dem Tod des Bürgermeisters wollten seine Kollegen erst auf die diesjährige Fasnacht verzichten, aber dann fragten sie sich: Hätte Giovanni das gewollt? Nein, fanden sie, die größte Huldigung erweisen wir ihm, wenn wir für ihn spielen, ihn durch die Musik in Erinnerung bewahren!
    »Okay«, sagte der Pfeifer, der die Probe leitete, »machen wir eine Pause.«
    Die Musiker legten ihre Instrumente ab und wärmten sich die Hände an den Heizstrahlern. Die wenigen Zuschauer gesellten sich zu ihnen, einer zog eine Feldflasche hervor und reichte sie herum, und es wurde auch ein bisschen gelacht. Trotzdem war die Stimmung gedrückt. Etliche Musiker nahmen zwar einen Schluck aus der Flasche, standen sonst aber schweigend herum. Alessandro Vassalli saß mit einem Klarinettisten zusammen.
    Contini ging auf die beiden zu. Wenige Schritte vor ihnen räusperte er sich und begann: »Verzeihung bitte …«
    Vassalli musterte ihn, als hätte er ihn nie gesehen.
    »Ich heiße Contini. Ich bin …«
    »Wir wissen, wer du bist«, sagte Vassalli.
    »Ich erinnere mich an deinen Vater«, sagte der Klarinettist, der schon ein älterer Herr war. »Der Ratti Antonio bin ich, habe oben neben dem Staudamm gewohnt, und an dich als Kind erinnere ich mich auch noch …«
    »Schon gut, Antonio«, unterbrach ihn Vassalli, »für Nostalgie ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Was willst du, Contini?«
    »Rosa Pellanda hat mir verraten, wo ich euch finde«, sagte Contini. »Tut mir leid, dass ich stören muss, aber Signora Pellanda sagt, die Band hier, das sind alles alte Freunde von Giovanni.«
    »Ah, der arme Giovanni …«, begann Antonio Ratti. »So viele Jahre haben wir miteinander gespielt!«
    »Sein Tod kam doch sehr plötzlich, oder?«, fragte Contini.
    »Und wie!« Ratti schien fast erleichtert, dass über den Bürgermeister gesprochen wurde. »Heute Abend denken wir alle nur an ihn … Da kommt man schon ins Grübeln - dass einer auf diese Weise aus dem Leben gehen kann, wie …«
    »Antonio«, fiel ihm Vassalli ins Wort, »du weißt aber schon, dass das ein Polizist ist, ja?«
    »Wie bitte?«
    »Er redet nicht aus Anteilnahme, sondern als Ermittler. Er interessiert sich für Giovannis Tod.«
    »Also«, sagte Contini, »sagen wir lieber, ich möchte verstehen, was passiert ist.«
    »Ich dachte, es war ein Unfall?«, wandte Ratti ein.
    »Vielleicht. Die Polizei ermittelt noch. Natürlich war Signor Pellanda in unserer Gegend allseits beliebt, und...«
    »Unbedingt!«, rief Ratti. »Zwanzig Jahre war er unser Bürgermeister, und hier bei uns kennen sich alle!«
    »Aber gab es nicht in letzter Zeit Streit wegen dieses Staudamms?«
    »Was soll ich sagen - man hat diskutiert, und dann hat man sich geeinigt.«
    »Antonio.« Vassallis Stimme war sehr leise. »Antonio, bitte!«
    »Was?«, antwortete Ratti.
    »Wieso erzählst du ihm so was. Das geht ihn einen Dreck an!«
    »Ich will nur versuchen zu verstehen«, sagte Contini. »Im Interesse aller. Ich will …«
    »Im Interesse aller - ein Scheiß!«, schrie Vassalli unvermittelt. Alle Gesichter drehten sich zu ihm.
    »Weißt du, wie du mir auf die Eier gehst mit deiner Fragerei?« Der Ingenieur war näher an ihn herangetreten, und sein Gesicht war dunkelrot. »Seit einer Woche schleichst du herum und schnüffelst! Hast du denn überhaupt keinen Respekt?«
    Contini wich einen Schritt zurück, aber Vassalli heftete sich an ihn. »Jetzt langt es!«, schrie er.
    »Signor Vassalli.« Contini hob beide Handflächen. »Beruhigen Sie sich bitte …«
    »Für wen hältst du dich, du Koffer!? Wir wissen, wer du bist, du und dein feiner Erzeuger, der mit der Kohle abgehauen ist!«
    Nun rückte ihm Contini seinerseits auf die Pelle, und seine Stimme sank fast zu einem Flüstern herab. »Vassalli!«, zischte er. »Ich suche keinen Streit, aber das geht zu …«
    Vassallis Faust fuhr aufs Geratewohl nach oben und traf den Detektiv an der Schulter. Im nächsten Moment warf er sich auf ihn, packte ihn am Revers und brachte ihn zu Fall, und sofort wälzten sich die beiden am Boden, umringt von einem fassungslosen Kreis von Zuschauern: Alle waren derart überrumpelt, dass erst einmal

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