Desolina aus Spanien zurückkommt? Sie will irgendwo im Luganese bei einer Verwandten wohnen, und der alte Fontana meint, sie hat gerade dir etwas Wichtiges zu sagen! Hoffentlich hilft es uns! Unterdessen habe ich beschlossen, die Beschwerde sein zu lassen. Die Elektrizitätsgesellschaft, die Gemeinde, der Staat und die Polizei, alle sind gegen uns, eben weil nur wir die Wahrheit kennen.
Ich folge den Ratschlägen derer, die mir wohl wollen.
Grüße! Tommi
Von:
[email protected] Gesendet: heute 00:16
An:
[email protected] Betreff: Morgen?
Wieso nicht morgen? Ich warte; ich verstehe schon, dass wir vorsichtig sein müssen. Aber manchmal fühl ich mich wirklich sehr allein gelassen. Ciao! Tommi
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Sagen Sie’s mir, Contini!
Attilio Rodoni fühlte sich wie der Korken einer Champagnerflasche, kurz bevor ihn jemand knallen lässt. Die Leute flüsterten, die Journalisten ließen ihm keine Ruhe. Und alle erwarteten eine offizielle Stellungnahme. Er massierte seine Nase und sagte: »Sie irren sich, Doktor Lamberti. Die politische Frage spielt keine Rolle.«
Rodoni verstummte und betrachtete seinen Gesprächspartner, eine spindeldürre Gestalt mit violettem Hemd und einer Weste in der Farbe von Erbrochenem.
»Schauen Sie, Doktor«, fuhr er dann fort, »aus exzessiver politischer Vorsicht hätten wir den Pellanda-Mord von Anfang an als die Tat eines Geistesgestörten behandeln können, aber wir wollten lieber warten.«
Doktor Lamberti, forensischer Psychiater, dessen Titelsammlung noch mächtiger war als seine Brauen, ließ ein zustimmendes Brummen hören.
»Okay«, setzte er hinzu, während er seinen Laptop einschaltete. »Tun wir so, als stünde euch das Wasser nicht bis zum Hals. Könnten Sie vielleicht das Licht ein bisschen dämpfen, Herr Kommissär?«
De Marchi, der noch kein Wort gesagt hatte, stand auf und drehte die Beleuchtung herunter. Die Fotos auf Rodonis Schreibtisch verschwanden im Halbdunkel. In einer Ecke des Zimmers saß Tettamanti, der hochaufgeschossene Chef der Kriminalpolizei, der in dem nun herrschenden Zwielicht eine trübsinnigere Wirkung entfaltete als eine Beerdigung bei Regen.
»Also«, begann Lamberti und rief seine vorbereitete Power-Point-Präsentation auf. »Meine Untersuchung stützt sich auf zahlreiche psychologische Indizien, die der Täter buchstäblich ausgestreut hat.«
Die Behauptung klang wie eine Anklage. Rodoni, auf seinem Stuhl hin und her rutschend, knurrte unwirsch: »Na, dann lassen Sie mal sehen.«
Jede Hoffnung, mit der raschen Lösung des Doppelmords Pellanda-Vassalli eine gute Figur zu machen, hatte sich in Luft aufgelöst. Jedes Mal, wenn Rodoni seinen kräftigen Hintern in den Schreibtischsessel sinken ließ, meinte er das Zischen der glühenden Kohlen unter ihm zu hören … Er verdrängte den Gedanken und richtete seine Aufmerksamkeit auf Lambertis Erklärungen.
»Fangen wir mit dem Auffälligsten an.« Der Psychiater projizierte den Inhalt seines Bildschirms an die weiße Wand gegenüber. »Der Mörder folgt einem Ritual. In beiden Fällen tötet er nicht einfach, sondern legt Wert darauf, dass der Tod auf bestimmte Weise erfolgt: Erst wendet er Gewalt an, um sein Opfer wehrlos zu machen, dann lässt er das Wasser sein Werk vollenden. Wie Sie sehen, weisen die beiden Morde eindeutige Parallelen auf.«
Der rote Laserpunkt illustrierte die Gemeinsamkeiten auf dem dargestellten Schema.
Mordfall Pellanda
1. Gewalt
2. Todesursache
Schlag in den Nacken Ertrinken infolge Schocks
Mordfall Vassalli
1. Gewalt
2. Todesursache
Schuss in den Magen Ertrinken infolge Schocks
Gemeinsamkeiten: Todesursache abgelegener Ort im Freien
Tatzeit: - Pellanda kurz nach Tagesanbruch
- Vassalli kurz vor Tagesanbruch
(Anm.: Im zweiten Fall liegt ein Projektil für etwaige ballistische Vergleiche vor.)
»Natürlich«, bemerkte Lamberti, »sind zwei Morde nicht gerade viel, um Informationen über den Modus operandi zu sammeln. Aber falls ein weiterer Mord geschieht, was durchaus möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich ist …«
Rodoni rutschte wieder auf dem Stuhl hin und her. In seiner Fantasie zischten die glühenden Kohlen lauter. »Ich unterbreche Sie ungern, Herr Doktor, aber das sind jetzt keine Neuigkeiten.«
Lamberti musterte ihn.
»Um Neuigkeiten geht es auch gar nicht, Herr Staatsanwalt. Hier geht es darum, die uns bekannten Fakten sprechen zu lassen, damit sie uns zum Mörder führen.«
»Na gut«, seufzte