Am Helllichten Tag
Perücken und was sie sonst noch braucht.
Das Landhaus war in den letzten Jahren ihre und Vincents Zuflucht.
Nathalie ist zuversichtlich, dass ihr Plan klappen wird. Seit der Flucht vor über einer Woche ist ihr Selbstvertrauen gestiegen. Wäre Vincent nicht mit dem Messer auf Robbie losgegangen, hätte sie nie geahnt, wozu sie in der Lage ist.
Sie braucht keinen Vincent mehr, um zurechtzukommen. Statt Schläge einzustecken wie sonst, hat sie diesmal selbst zugeschlagen – einen Befreiungsschlag geführt, wenn man so will.
Ganz gleich, wie lange sie ihre Freiheit auskosten kann, ob man sie bald schnappt oder nicht – sie ist fest entschlossen, sich nie wieder von jemandem abhängig zu machen und für seine Zwecke einspannen zu lassen.
Bei diesen Gedanken staut sich eine immer größere Wut in ihr an – sie wird ihr helfen, Vincent furchtlos gegenüberzutreten, falls er im Haus sein sollte.
Dass ihre Hände zittern, hat nichts zu sagen. Sie hat keine Angst …
Das Anwesen liegt halb im Schatten der hohen Pappeln, auf den ersten Blick wirkt alles wie sonst.
Nathalie hält in einiger Entfernung am Waldrand an, den Blick auf das Haus gerichtet. Eine halbe Stunde beobachtet sie es genau, sucht nach Anzeichen dafür, dass Vincent sie in einen Hinterhalt locken will.
Ihr fällt nichts auf, und es deutet auch nichts darauf hin, dass er sich im Haus aufhält.
Sie lässt das Auto an und fährt langsam auf den Hof zu.
Vor dem Haus hält sie und steigt aus. Robbie lässt sie sicherheitshalber erst einmal im Wagen.
Sie schließt auf und späht in den Flur.
Nichts zu sehen, nichts zu hören.
Das Haus wirkt unbewohnt, es riecht muffig, als wäre längere Zeit nicht gelüftet worden.
Halbwegs beruhigt geht sie zur Wohnzimmertür, blickt sich suchend im Raum um, jedoch ohne die Pistole in ihrer Jackentasche loszulassen.
Dann holt sie ihre Tasche mit dem Geld und trägt sie hinein.
Weil sich die Hitze im Haus gestaut hat, zieht sie ihre Jacke aus und legt sie auf die Couch. Dann geht sie wieder in den Flur – und bleibt wie angewurzelt stehen.
In der Haustür steht ein Mann.
Es ist Nico, Vincents Freund aus alten Zeiten. Breitbeinig steht er da, eine Pistole auf sie gerichtet.
»Hallo, Nathalie.«
»Nico! Hast du mich erschreckt! Wo kommst du her?«
»Ich habe auf dich gewartet. Vincent meinte, früher oder später würdest du hier auftauchen.«
Ungläubig starrt Nathalie ihn an und denkt mit Entsetzen daran, dass ihre eigene Waffe in der Jacke auf der Couch und damit unerreichbar ist.
»Dass du Vincent k. o. geschlagen hast, imponiert mir. Ob es klug war, ist allerdings eine andere Frage.«
»Bist du deshalb hier? Sollst du mich in seinem Auftrag umbringen?«
»Du hast es erfasst! Aber noch ist es nicht so weit. Los, ins Wohnzimmer!« Nico versetzt der Haustür einen Fußtritt, sie fällt zu.
Nathalie gehorcht.
Vor der Couch bleibt sie stehen und setzt sich auf die Seitenlehne.
»Du machst wohl jede Drecksarbeit, die man dir anhängt, was?«, sagt sie spöttisch. »Am Ende landest du wegen Mordes hinter Gittern, und Vincent kommt ungeschoren davon.«
»Lass das mal meine Sorge sein.« Nicos Stimme klingt ruhig und selbstsicher. »Ich habe nicht vor, dich zu erschießen. Du wirst einen kleinen Unfall haben, mit dem Kind in den Kanal fahren. Überhöhtes Tempo, von der Straße abgekommen … So was kennt man ja.«
»Ach, und wie soll das gehen?«
»Damit!« Nico zieht eine Spritze aus seiner Jackentasche. »Du weißt ja, dass ich Arzt bin. Ich hab hier ein schnell wirkendes Muskelrelaxans, das setzt dich für, sagen wir mal, ein bis zwei Stunden vollständig außer Gefecht. Und bis dahin liegst du längst im Kanal.«
Zu ihrer eigenen Verwunderung bleibt Nathalie vollkommen ruhig, nicht zuletzt, weil nun ihre Pistole in greifbarer Nähe ist. Fragt sich nur, ob sie schneller ist als Nico. Andererseits ahnt er nicht, dass sie eine Waffe hat.
Er steht lässig da, scheint es nicht eilig zu haben und mustert sie von Kopf bis Fuß. »Bevor ich zur Sache komme«, sagt er, »werden wir beide uns noch ein wenig vergnügen. Zieh dich aus.«
»Das könnte dir so passen!« Nathalie verschränkt die Arme vor der Brust.
»Dann mach ich es eben selbst, wenn du nachher das Zeug intus hast. Du hast die Wahl.« Er wedelt auffordernd mit der Pistole.
Langsam beginnt Nathalie, ihre Bluse aufzuknöpfen.
Darunter trägt sie einen weißen Spitzen- BH , ein Anblick, der Nico sichtlich erregt. Wie hypnotisiert
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