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Am Helllichten Tag

Am Helllichten Tag

Titel: Am Helllichten Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone van Der Vlugt
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sagt, er müsse mal eben auf die Toilette.
    Julia ist klar, dass er Melanie jetzt eine SMS schicken wird, dass er später nach Hause kommt.
    Als er nach ein paar Minuten wieder da ist, schweigen sie beide ein wenig betreten und fühlen sich schuldig.
    »Und jetzt?«, fragt Julia leise.
    »Eigentlich wollte ich das Ganze schnell und undramatisch beenden«, sagt Sjoerd. »Aber nun …« Er macht eine hilflose Geste. »Wir sollten nichts überstürzen«, meint er dann. »Ich gehe jetzt nach Hause, und morgen reden wir weiter – einverstanden?«
    Julia lächelt ihn glückselig an. Bei der Arbeit wird sie sich das verkneifen müssen, damit nicht jeder gleich merkt, dass zwischen ihnen was läuft.
    Noch ein langer Kuss, dann stehen sie auf, zahlen am Tresen und verlassen die Kneipe.
    Julia will gerade noch etwas sagen, als Sjoerd sie an sich zieht und küsst. Kein Autofahrer hupt, kein Passant überschüttet sie mit Vorwürfen – niemand ahnt, dass es ein verbotenes Glück ist, das sie genießen.
    Es stimmt Julia zuversichtlich, dass Sjoerd sich in aller Öffentlichkeit zu ihr bekennt.
    Eng umschlungen gehen sie zu den Fahrrädern.
    Das gemeinsame Stück Weg am Fluss entlang ist kurz, viel zu früh müssen sie sich trennen.
    Langsam fährt sie zur Koninginnelaan. Ihr ist, als würde sie auf dem Rad dahinschweben, so leicht und beschwingt fühlt sie sich. Es war keine Illusion: Er liebt sie so wie sie ihn.
    Wie es weitergehen soll, wird sich zeigen; daran will Julia vorerst noch nicht denken. Versonnen lächelt sie vor sich hin, als sie vor ihrem Haus hält.
    Sie stellt das Rad im Gartenschuppen ab, geht zur Hintertür und begrüßt Morf, der ihr, wie immer, entgegenläuft. Erst als sie den Schlüsselbund hervorzieht, sieht sie den Kochtopf, darauf liegt ein Umschlag mit ihrem Namen.
    Verblüfft greift sie danach und zieht eine Beileidskarte heraus. Nicht das übliche deprimierende Motiv mit betenden Händen und schwarzem Rand, sondern ein in Grau, Weiß und Zartblau gehaltenes Bild von Meeresbrandung.
    »Liebe Julia, ich habe gehört, was deiner Oma zugestoßen ist, und möchte dir sagen, dass es mir unendlich leid für dich tut. Ich bin immer für dich da, wenn du jemanden zum Reden brauchst. Sicherlich hast du jetzt andere Dinge im Kopf als den Haushalt, deshalb habe ich für dich mitgekocht. Du brauchst es nur aufzuwärmen. Alles Liebe, Melanie.«
    Die ehrliche Anteilnahme und Freundschaft, die aus den wenigen Sätzen sprechen, treffen Julia härter als ein Schlag ins Gesicht und vertreiben jedes Hochgefühl.
    An die Mülltonne gelehnt, schließt sie die Augen, aber es hilft wenig: Melanies liebevolle Worte klingen in ihrem Innern nach.
    Die Wohnung kommt ihr leerer vor als sonst. Noch vor Minuten hat sie sich gefühlt wie im siebten Himmel, jetzt ist sie hart auf dem Boden der Tatsachen gelandet. Sie versetzt dem Abfalleimer einen so heftigen Fußtritt, dass er umfällt und seinen Inhalt über den Boden verstreut.
    Dann knallt sie den Topf auf den Herd und nimmt den Deckel ab: Makkaroni mit Tomatensoße, eines ihrer Lieblingsgerichte. Nicht einmal den geriebenen Käse hat Melanie vergessen …
    Sie legt ein Tischset auf und nimmt eine Flasche Orvieto aus dem Kühlschrank.
    Das Essen ist vorzüglich, und der Wein hat genau die richtige Temperatur, dennoch wird sie den bitteren Geschmack im Mund nicht los.

34
    Mit der halb geleerten Weinflasche setzt Julia sich im Wohnzimmer auf die Couch und schaltet den Fernseher ein.
    Doch statt der Werbespots sieht sie ihre Großmutter vor sich, dann Sjoerd und sich selbst, schließlich Melanie, wie sie mit dem Kochtopf in der Hand durch ihren Garten geht.
    Ihre Gefühle fahren Achterbahn, und sie ist froh, in dieser Situation allein zu sein, hofft, das innere Chaos im Lauf des Abends irgendwie sortieren zu können.
    Nach kaum fünf Minuten klingelt das Handy auf dem Couchtisch. Julia meldet sich.
    »Ich bin’s.« Tacos Stimme klingt fröhlich. »Was machst du gerade?«
    »Meine Oma ist gestern gestorben. Von der Treppe gestürzt, Schädelbruch. Das begieße ich gerade mit einer Flasche Wein.«
    »Wie schrecklich«, sagt Taco betroffen. »Das tut mir leid. Wie kommst du damit klar?«
    »Weiß nicht. Ich glaube, ich hab’s noch gar nicht so recht begriffen.«
    »Verstehe. Du bist völlig neben der Spur und hast jetzt bestimmt hundert Dinge zu erledigen. Die Trauer kommt erst nach dem Begräbnis.«
    »Wahrscheinlich.«
    Taco bietet an vorbeizukommen, damit sie nicht den ganzen

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